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Im Visier des Verlangens

Im Visier des Verlangens

Titel: Im Visier des Verlangens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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entlangzuhangeln, würde allerdings einen erheblichen Umweg bedeuten. Wenn er die Weide überquerte, befände er sich bald in Rufweite des Hauses.
    Über das Drehkreuz zu klettern, erforderte noch größere Kraftanstrengung, als sich den Hügel hinaufzuschleppen. Auf der letzten Sprosse rutschte er aus und krachte mit dem verletzten Bein zu Boden. In seiner Not klammerte er sich an dem faserigen Holz des Zauns fest, bevor er vornüberkippte. Nach Atem ringend, an allen Gliedern schlotternd, hielt er sich an dem Pfosten fest.
    Ich schaffe es.
    Ich schaffe es.
    Alle zähneknirschenden Beteuerungen in der ersten Morgendämmerung waren vergebens. Die Welt drehte sich in wilden Spiralen, sein einziger Halt war der Holzpfosten. Er hatte jegliche Orientierung verloren, wusste nicht, welche Richtung er einschlagen sollte. Sein Kopf war eine graue schwammige Masse aus Schmerz. Er hatte keine Kraft mehr, war nicht mehr fähig, auch nur einen Fuß vor den anderen zu setzen. Nein, schlimmer konnte es nicht kommen.
    Und dann drang aus dem verschwommenen Grau seiner Benommenheit ein Geräusch zu ihm durch. Das Stampfen schwerer Hufe. Die Kampfansage eines zu Tode erschrockenen Pferdes, das aus dem Schlaf gerissen worden war.
    Bleib mir vom Leib , verkündete dieses drohende Stampfen. Ich bin ein gefährlicher Hengst.

21. KAPITEL
    K ate nahm an die hundert fremde Gesichter wahr, am nächsten Morgen um kurz vor elf im Gerichtssaal. Die Nachricht ihres Prozesses schien sich über Nacht wie ein Lauffeuer verbreitet zu haben. Vielleicht war der Trunkenbold auf der Bank nicht betrunken gewesen. Wahrscheinlicher aber war, dass die diensthabenden Konstabler sich mit dem bevorstehenden Sensationsprozess gebrüstet hatten.
    In den hinteren Bänken saßen Männer mit gezückten Schreibstiften und Notizblöcken. Journalisten, Klatschkolumnisten und Gerichtszeichner, allesamt darauf erpicht, ihren Bericht des aufsehenerregendsten Prozesses in diesem Bezirksgericht in den Abendblättern zu veröffentlichen. Zweifellos hatten sie ihren Urteilsspruch längst gefällt, ehe der Hammer des Richters fiel.
    Kate saß auf der Anklagebank in aufrechter, scheinbar gelassener Haltung. Niemand würde ihr unterstellen, sie sei in Tränen aufgelöst unter der Last der Anschuldigungen zusammengebrochen. Zweifellos waren wieder Wetten abgeschlossen worden, und sie wollte diesen Idioten keinesfalls die Genugtuung geben, sie habe kleinlaut und verängstigt gewirkt.
    In den vorderen Reihen saßen einige Leute, die sie gut kannte.
    Der Marquess of Blakely und seine Gemahlin hatten links außen Platz genommen. Das vornehm dunkel gekleidete Paar zeigte Spuren einer schlaflosen Nacht. Lord Blakely beobachtete Kate eindringlich, allerdings nicht mit finster umwölkter Stirn, was sie als gutes Zeichen nahm.
    In einem Bezirksgericht trug der Kläger, in diesem Fall Harcroft, persönlich die Anklage vor. Doch auch in der öffentlichen Verhandlung vor Geschworenen war nicht damit zu rechnen, dass er die Wahrheit sagte. Im Gegenteil. Da halb London die Berichte in den Klatschblättern verfolgte, würdeer mit Sicherheit Lügen auftischen. Harcroft machte den selbstgefälligen Eindruck eines Unschuldsengels. Hätte Kate ihn nicht bereits zutiefst gehasst, würde sie ihn jetzt noch mehr verabscheuen.
    Unter den übrigen Anwesenden machte Kate weitere bekannte Gesichter aus. Lady Bettony, Lord Worthington und viele, die sie nur vom Namen her kannte, da sie ihr bei unzähligen Abendgesellschaften vorgestellt worden waren.
    Hätte man den Richtertisch beiseite geräumt und stattdessen ein Orchester auf das Podium gestellt, hätte man den Gerichtssaal mit einem Ballsaal verwechseln können.
    Leider befand sich ihr Ehemann nicht unter den etwa hundert Anwesenden, die den Saal füllten. Kate blickte wohl zum zehnten Mal zu den hohen Doppeltüren, allerdings mit erhobenem Haupt und der gelassenen Miene einer Dame, die einen morgendlichen Besucher erwartete.
    Wo blieb Ned nur? Er war allein durch die Nacht geritten. Es könnte ihm etwas zugestoßen sein. Vielleicht war er vom Pferd gestürzt und hatte sich das Genick gebrochen oder war Wegelagerern in die Hände gefallen. Hätte sie gestern Abend ihre Sinne beisammengehabt, hätte sie darauf bestanden, dass ein Diener ihn begleitet, wobei zu befürchten war, dass Ned diesen Vorschlag strikt von sich gewiesen hätte.
    Kate begegnete Lord Blakelys Blick ein weiteres Mal durch den dicht gedrängten Gerichtssaal. Und plötzlich war ihr,

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