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Im Visier des Verlangens

Im Visier des Verlangens

Titel: Im Visier des Verlangens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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sie erweckte nicht den Eindruck, eine Angeklagte zu sein. Kate wusste genau, wie gefährlich nah sie an einem verhängnisvollen Abgrund balancierte. Dennoch zwang sie sich, Harcroft lächelnd in die Augen zu schauen.
    Er wandte den Blick ab. Ein winziger Triumph, der Kate das Gefühl gab, als dringe ein Sonnenstrahl durch die blinden Fenster in den Gerichtssaal am Queen Square.
    „Und wo“, setzte Richter Fang sein Verhör fort, „hält Lady Harcroft sich auf?“
    „Oh, das kann ich unmöglich sagen“, antwortete Kate ohne Zögern.
    Wieder ging ein Raunen durch den Saal, diesmal vernehmlicher.
    „Können Sie es nicht sagen, oder wollen Sie nicht?“, fragte Harcroft, der sich vor ihr aufbaute. Sie tat nicht einmal so, als würde sie vor ihm zurückweichen, auch wenn er gefährlich drohend vor ihr aufragte. Genau diesen Eindruck sollten die Versammelten von ihm in Erinnerung behalten.
    „Lady Kathleen“, knurrte er böse, „muss ich Sie daran erinnern, dass Sie einen Eid abgelegt haben, die ganze Wahrheit zu sagen?“
    Kate blickte aus unschuldig großen Augen zu ihm auf. „Aber ich sage die Wahrheit. Ich weiß es wirklich nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass Lady Harcroft unterwegs ist.“ Das hoffte sie zumindest – es sei denn, Ned wäre ein schreckliches Unglück zugestoßen. „Da sie nicht bei mir in London ist und ich keine Post von ihr erhalten habe, kann ich es allerdings nicht beschwören.“
    Harcroft verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte sie finster an. „Sie haben eine Kinderfrau für meine Gemahlin eingestellt und sie entführt, also wissen Sie, wo sie sich aufhält. Gestehen Sie, Lady Kathleen.“
    „Vielleicht sitzt sie in einer Kutsche.“ Kate lächelte unschuldig. „Oder … vielleicht auch nicht. Es ist schwer zu sagen. Wenn ich sie sehen könnte, wüsste ich, wo sie sich aufhält.“
    Verständnislos furchte Harcroft die Stirn über diesen haarsträubenden Blödsinn. „Die Angeklagte“, schnarrte er feindselig, „macht sich über dieses Hohe Gericht lustig – über Sie, Euer Ehren, vor den Augen der Öffentlichkeit. Befehlen Sie ihr, zu gestehen, wo meine Ehefrau sich aufhält! Sofort!“
    Der Richter tupfte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. „Lady Kathleen?“, begann er mit schwacher Stimme.
    In diesem Augenblick schwangen die hohen Flügeltüren hinter der Versammlung auf und ein schräges Bündel Sonnenstrahlen fiel in den düsteren Raum. Staub tanzte glitzernd. Zwei Gestalten, dunkle Silhouetten im Gegenlicht, erschienen. Hoffnungsvoll hielt Kate den Atem an.
    Ned trat nach vorne, während er bedächtig einen Fuß vor den anderen setzte, als habe jeder Schritt eine Bedeutung. In der Mitte des Saales hielt er inne und legte eine Hand an eine Banklehne.
    Die beglückende Wärme, die Kate beim Anblick ihres Ehemannes durchströmte, wurde durch sein derangiertes Äußeres kaum getrübt. Neds Kleidung war völlig verdreckt, er trug keine Krawatte, seine Hose war am Knie zerrissen. Louisa trat neben ihn. Im Gegensatz zu Neds verschmutzter Kleidung trug sie ein tadellos sauberes, taubengraues Reisekostüm, an Ausschnitt und Saum mit Volants aus schwarzer Spitze verziert. An Neds Seite wirkte sie gefasst wie nie zuvor.
    Einer der eifrigen jungen Reporter in der letzten Reihe hob beim Eintreten des Paares nur kurz den Kopf und fuhr fort, weitere Notizen zu machen.
    „Lady Kathleen?“, fragte der Richter erneut, der keine Notiz von den Neuankömmlingen nahm, „wollen Sie behaupten, nicht zu wissen, wo Lord Harcrofts Gemahlin sich aufhält?“
    Kate lächelte strahlend. „Nein, Euer Ehren. Jetzt weiß ich es.“
    Harcroft beugte sich über Kate und krümmte die Finger, als wolle er ihr die Kehle zudrücken, um sie endlich zum Reden zu bringen. Er war so sehr auf Kate fixiert, dass er die Schritte hinter sich nicht wahrnahm.
    „Ist es wirklich nötig, Euer Ehren, dass ich diese Aussage mache?“, fragte sie unschuldig.
    „Es wäre ratsam“, antwortete Richter Fang trocken.
    Kate hob anmutig die Hand. „Sie befindet sich hier im Saal“, verkündete sie und wies auf Louisa.
    Die Zuhörer sprangen aufgeregt lärmend von ihren Plätzen auf. Der Richter versuchte vergeblich, sich mit gebieterischen Hammerschlägen Gehör zu verschaffen. Erst als er mit einer Donnerstimme drohte, den Saal räumen zu lassen, legte sich der Tumult; die Leute verstummten und setzten sich wieder. In der gespannten Stille, die dem Geschrei folgte, konnte Kate das

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