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Im Visier des Verlangens

Im Visier des Verlangens

Titel: Im Visier des Verlangens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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nur, Heu aufzuladen.

5. KAPITEL
    K ate entdeckte den Gehrock ihres Ehemanns, achtlos über einen Holzpfosten geworfen, und schlug den matschigen Pfad ein, der sich hinter Bäumen an der verwitterten Umzäunung entlangschlängelte. In der Ferne schnatterte eine Entenschar.
    Bald wies der Saum ihres hellen Kleides einen breiten Schmutzrand auf, und der gestärkte weiße Kragen war in der Wärme schlaff geworden. Nicht unbedingt das Erscheinungsbild, das sie ihrem Ehemann präsentieren wollte.
    Er hingegen … Mit hochgekrempelten Hemdsärmeln und offener Weste hievte Ned wie ein Landarbeiter eine Gabel voll Heu auf den bereits hoch beladenen Wagen. Er trug keine Krawatte. Nach einem kurzen suchenden Blick entdeckte sie den langen weißen Schal, der über der Wagendeichsel hing.
    Jeder andere Gentleman hätte lächerlich gewirkt ohne maßgeschneiderte Kleidung, die dazu angetan war, schmale Hängeschultern oder einen gewölbten Leib zu kaschieren. Aber Ned verrichtete diese schwere monotone Arbeit mit lässigem Selbstverständnis, als würde er tagtäglich nichts anderes tun.
    Bevor er sie verlassen hatte, hatte er nie bedrohlich auf sie gewirkt, und sie empfand auch jetzt keine Scheu vor ihm. Aber etwas an ihm hatte sich geändert. Er wirkte selbstbewusst, ohne arrogant zu sein, und er schien seine einstige Unbekümmertheit verloren zu haben. Ja, er hatte sich sehr verändert.
    Er strahlte etwas Verwegenes aus, gewiss keine Rolle, die er spielte, um Aufmerksamkeit zu erregen, da er sich unbeobachtet fühlte, lediglich misstrauisch beäugt von einem einsamen scheuen Pferd. Champion drängte sich mit angelegten Ohren am anderen Ende der Koppel dicht an die Querbalken.
    Ned war mit Harcroft befreundet, der wiederum enge Beziehungen zu Lord Blakely und dessen Gemahlin unterhielt. Würde Kate ihren Ehemann ins Vertrauen ziehen, wären ihre sorgsam durchdachten Pläne zunichte, da er sich zweifellos gemeinsammit Lord und Lady Blakely gegen sie stellen würde.
    Schließlich war Ned bereits im Begriff, unwissentlich ihre Pläne zu durchkreuzen, indem er Harcroft Gastfreundschaft gewährte, dessen Gegenwart Kate daran hinderte, Kontakt mit Louisa aufzunehmen. Wie sollte sie ihre Freundin beschützen, wenn sie ihr nicht einmal einen Besuch abstatten konnte?
    Ihr Ehemann stellte eine Gefahr für sie dar, auch wenn er sich dessen nicht bewusst war. Selbst eine harmlose unbedachte Bemerkung könnte ihr zum Verhängnis werden, und Louisas Schicksal wäre besiegelt.
    Er stellte auch in anderer Hinsicht eine Gefahr für sie dar.
    Fünf Minuten einer belanglosen Unterhaltung mit ihm hatten genügt, dass sie noch immer die Wärme seiner Finger an ihrem Kinn spürte. Auch ihre Hand trug das unsichtbare Zeichen seiner Berührung. Fünf Minuten hatten genügt, um sie zum Lachen zu bringen.
    Ned hatte ihre Gegenwart noch nicht bemerkt, und sie nutzte die Gelegenheit, ihn heimlich zu beobachten. Er hatte den letzten Heuhaufen aufgeladen, lehnte die Gabel gegen den Karren, streifte bedächtig die Lederhandschuhe ab, einen Finger nach dem anderen, zog die Weste aus und legte sie neben Handschuhe und Krawatte auf die Deichsel. Dann streckte er sich und holte einen bauchigen Tonkrug vom Wagen. Statt zu trinken, hob er ihn hoch und ließ das Wasser in einem dünnen Strahl über seinen Kopf rieseln.
    Sein ohnehin schweißnasses Haar hing ihm nun in Strähnen in die Stirn. Das weiße Hemd klebte durchsichtig an seiner Brust.
    Gütiger Himmel. Kate stockte der Atem. Die vergangenen Jahre hatten es sehr gut mit ihm gemeint. Unter dem dünnen Stoff traten seine Muskeln hervor – nicht wulstig wie die eines Landarbeiters, sondern sehnig und wohlgeformt wie die eines Fechters.
    Der schmächtige Jüngling, der sie vor Jahren im Stich gelassenhatte, war als strahlender Adonis zurückgekehrt. Diese schreiende Ungerechtigkeit versetzte ihr einen schmerzhaften Stich.
    Kate war nicht die Einzige, die ihn beobachtete. In sicherer Entfernung stand das Pferd, das er dem herzlosen Fuhrmann abgekauft hatte. Offenbar hatten sich die Stallburschen seiner angenommen, denn der Gaul wirkte weniger verwahrlost. Er trug keinen Halfter, und sein stumpfes Fell war gestriegelt, wodurch allerdings sein erbärmlicher Zustand noch deutlicher sichtbar wurde. Seine Rippen stachen hervor, die Flanken waren eingefallen, und an den Stellen, wo das schlecht sitzende Geschirr ständig gerieben hatte, schimmerte die blanke Haut hell.
    Ned redete diesmal nicht beruhigend und leise

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