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Im Visier des Verlangens

Im Visier des Verlangens

Titel: Im Visier des Verlangens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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jedem ihrer Atemzüge verringerte sich die Entfernung.
    Sein Blick wanderte tiefer zum züchtigen Ausschnitt ihres elfenbeinfarbenen Vormittagskleides. Ihr war, als könne er durch den Spitzenkragen sehen, als trage sie nur ein transparentes Hemd.
    Hilfe! Ein Wolf!
    Er hatte in ihr nie etwas anderes gesehen als ein weibliches Wesen, seine Ehefrau. Und Kate hatte die bittere Erfahrung gemacht, was es bedeutete, Ehefrau zu sein. Ein gefügiges Wesen, das sich mit feinen Handarbeiten beschäftigte und sich in Wohltätigkeitsvereinen nützlich machte. Ein hübsches Ding, eingeschnürt in ein Korsett, gerüschten Unterröcken und spitzenverzierten Seidenkleidern. Eine zerbrechliche Porzellanpuppe, die man beschützte und verwöhnte, solange sie nur willfährig und gehorsam war. Im Übrigen machte eine Dame sich nicht die Hände schmutzig, das hatte schon ihre Mutter ständig gepredigt.
    Sie fragte sich, wie Ned wohl reagieren würde, wenn sie ihm gestand, dass sie für Louisas Flucht verantwortlich war. Würde er ihr ein solches Vorhaben überhaupt zutrauen, oder hielt er sie für ebenso leichtfertig und flatterhaft wie Harcroft.
    Sie hörte immer noch das aufgeregte Schnauben des Pferdes hinter sich.
    „Wieso geht er nicht weg?“, fragte sie bang.
    Ned ließ sie nicht einen einzigen Moment aus den Augen. „Keine Ahnung. Vielleicht schnuppert er die Pfefferminzbonbons in meiner Tasche.“
    Langsam, sehr langsam bewegte er seine Hand zur Westentasche und zog sie ebenso langsam wieder zurück, während erdicht an ihrer Wange verharrte.
    Und mit blitzschnellem Schwung schleuderte er ein Pfefferminz weit in die gemähte Wiese.
    Sie konnte das Pferd nicht sehen, hörte nur sein Schnauben. Kein zögernder Hufschlag deutete seinen Rückzug an. Nichts. Sie stellte sich vor, wie Champion witternd die Schnauze in den Wind hielt, unschlüssig, ob er sich seinen Feinden wieder zuwenden sollte.
    Ned zwinkerte ihr zu, und ihr Herz machte einen Satz.
    „Ich wage nicht, mich zu bewegen“, gestand sie kleinlaut.
    „Tatsächlich?“ Er lächelte unverfroren. „Ich könnte auf dumme Gedanken kommen, wie ich mir das zunutze mache.“
    Kate schluckte. Hatte sie vor wenigen Sekunden noch nicht gewagt, sich zu bewegen, so hatte sie jetzt das Gefühl, als hätten ihre Füße in der Erde Wurzeln geschlagen. Ihre Arme hingen wie gelähmt an ihrer Seite. Und in ihrem Kopf schwirrten tausend Möglichkeiten, was er mit ihr anstellen könnte. Vielleicht würde er sie küssen oder ihr über den Rücken streicheln oder die Perlmuttknöpfe ihres Spitzenkragens öffnen.
    Tief blickte er ihr in die Augen, und ein schwindelerregendes Verlangen durchströmte sie. Der Wind, der ihre Wangen behauchte, fühlte sich an wie seine streichelnde Hand. Seine Augen wurden schmal, er neigte sich ihr zu.
    Vielleicht war das der Grund, warum sie sich auf die Suche nach ihm begeben hatte, mochte ihr das auch nicht bewusst gewesen sein. Sie hatte das Bedürfnis, sich zu vergewissern, ob Edward Carhart sie immer noch als seine Ehefrau betrachtete, wollte wissen, ob er sie ebenso zuvorkommend und höflich behandelte wie früher.
    Champion trat den Rückzug an. Kate verspürte ein letztes warmes Schnauben in ihrem Nacken, dann hörte sie Hufschläge, die sich entfernten.
    „Geschafft“, sagte Ned, ohne den Blick von ihr zu wenden. Ihre Lippen prickelten, ihre Haut fühlte sich erhitzt an. Er war im Begriff, sie zu küssen. Und in ihrer Torheit, nach drei Jahrender Trennung, sehnte sie sich nach seinem Kuss, sehnte sie sich danach, glauben zu können, er wolle den Versuch machen, das Phantom ihrer Ehe wieder zu beleben. Es drängte sie, ihre Hände an seine nasse Hemdbrust zu legen und seine warme Haut darunter zu spüren. Sie wollte eine Kostprobe seiner beiläufigen Sorglosigkeit schmecken, wünschte sich ein Zeichen von ihm, dass er mehr in ihr sah als nur die verwöhnte Tochter eines Herzogs, selbst wenn dieses Gefühl ebenso flüchtig wäre wie ihr Verlangen. Gespannt wartete sie auf seinen Kuss.
    Stattdessen zog er sich zurück. „Geschafft“, wiederholte er. „Nun bist du wieder frei und kannst gehen.“
    Frei? Sie konnte gehen? Verblüfft musterte sie sein Profil. Nachdem er sie gegen einen Zaunpfahl gepresst und darüber gescherzt hatte, was er alles mit ihr anstellen könnte, ließ er sie einfach gehen, ohne auch nur den geringsten Annäherungsversuch gemacht zu haben?
    Sie biss sich so sehr auf die Unterlippe, dass sie Blut schmeckte. Endlich konnte sie

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