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Im Wahn - Moody, D: Im Wahn - Hater

Titel: Im Wahn - Moody, D: Im Wahn - Hater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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seinem Blut an mich kommt. »Ich hol jemanden, der Ihnen helfen kann.«
    Er leckt sich über die blutigen Lippen, schluckt und schüttelt den Kopf. »Zu spät«, röchelt er. Jede Bewegung kostet den armen Kerl immense Anstrengung und bereitet ihm schreckliche Schmerzen. Ich wünschte, er würde einfach still sein und ruhig liegen bleiben, aber den Gefallen tut er mir nicht. Er hat noch etwas zu sagen. Erschöpft wendet er mir wieder den Kopf zu und sieht mir direkt ins Gesicht.
    »Halten Sie einfach still und …«, beginne ich.
    »Ich hab versucht, ihn zu erledigen«, flüstert er atemlos. »Der Wichser trug ein Messer bei sich, für alle Fälle. Hat mich zuerst erwischt.«
    »Was?«
    »Ich wollte ihn erledigen, aber er war darauf vorbereitet …«
    »Was wollen Sie damit sagen? Hat er Sie angegriffen? War er ein Hasser?«
    Er schüttelt den Kopf. »Man sieht alles so klar, wenn es einem passiert. Ich musste ihn töten. Entweder er oder ich. Ich musste ihn töten, bevor …«
    Ich stehe auf und weiche zurück. Jesus Christus, ist er
der Hasser? Er hat den Streit angefangen, den wir letzte Nacht gehört haben. Er hat die Beherrschung verloren. Gott, ich stehe hier und vergeude meine Zeit mit einem elenden Hasser.
    Er leckt sich wieder die blutigen Lippen und schluckt abermals. »Sie sind es, Mann«, murmelt er, »nicht wir. Sie sind diejenigen, die hassen. Seien Sie bereit …«
    Ich weiß nicht, was er da zusammenfaselt, und will auch nichts mehr davon hören. Ich muss weg von diesem elenden Stück Abschaum. Ich drehe mich um und laufe die Treppe hinunter, da ich jetzt weiß, dass er es in seinem Zustand unmöglich bis zu meiner Familie schaffen kann. Ich überlege mir sogar, ob ich ihn töten soll, aber damit wäre ich so schlimm wie die, und ich bezweifle, ob ich es überhaupt könnte. Ich sehe über die Schulter und werfe einen letzten Blick zu dem Drecksack dort auf dem Treppenabsatz. Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr. Bis ich wiederkomme, dürfte er tot sein, und das keinen Moment zu früh.
    Ich laufe zum Auto hinaus und lasse den Motor an.

23
    Normalerweise schaffe ich es in fünfzehn Minuten von unserer Wohnung zu Harrys Haus, aber heute brauchte ich fast eine Stunde. Der verkehr ist immer noch nicht besonders dicht, aber viele Straßen sind unpassierbar. Durch einige wälzen sich lange Staus, andere wurden einfach gesperrt.
    Harry ist ziemlich durch den Wind, wie wir alle, gibt es aber natürlich nicht zu. Er ist niedergeschlagen und wesentlich stiller als sonst. Liz hat ihn angerufen und ihm gesagt, dass ich ihn holen komme, aber er hat nichts vorbereitet. Gerade bin ich oben bei ihm und helfe ihm, den Koffer zu packen. Er wirkt verwirrt und hilflos wie ein kleines Kind. Ständig stellt er mir Fragen, obwohl er genau weiß, dass ich sie nicht beantworten kann. Wie lange bin ich weg? Was muss ich mitnehmen? Ist es in eurem Haus sicher?
    Harrys Haus ist still und dunkel. Ich geh selten einmal nach oben. Das Haus ist klein, aber trotzdem viel zu groß für ihn allein. Die Zimmer von Liz und ihrer Schwester wurden nicht verändert, seit sie beide ausgezogen sind, und eine Seite von Harrys Schlafzimmer ist ein Schrein für Sheila, seine verstorbene Frau. Sie ist seit drei Jahren tot, trotzdem stehen mehr Sachen von ihr in dem Zimmer als von Harry. Das ganze Haus ist voller Gerümpel. Der alte Trottel wirft nie irgendwas weg. Kann sich einfach von nichts trennen.

    Ich wollte alles binnen weniger Minuten erledigen, aber da habe ich die Rechnung ohne Harry gemacht. Ich muss zu Lizzie und den Kindern zurück; stattdessen stehe ich hier und sehe ihm zu, wie er sich vergewissert, dass alles ausgeschaltet ist, und sich dann noch einmal vergewissert, dass er sich vergewissert hat. Ich will ihm sagen, dass das sowieso keine Rolle mehr spielt, aber dadurch würde alles nur noch schlimmer werden, darum mache ich gute Miene zum bösen Spiel und dränge ihn nur ein wenig. Mir ist schwindlig. Ich muss unbedingt über die vorkommnisse reden aber bestimmt nicht mit Harry. Ich weiß nicht, mit wem. Ich muss über den halbtoten Mann auf der Treppe reden und darüber, was sich heute Morgen in dem Laden abgespielt hat. Das Bild des Mädchens, das seine Mutter totschlug, geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Könnte eines der Kinder Lizzie so angreifen? Könnte das passieren, während ich hier stehe und meine Zeit mit diesem dummen alten Mann vergeude? Ich beiße mir auf die Lippen und versuche, ruhig zu bleiben. Ich darf meine

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