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Im Wald der stummen Schreie

Im Wald der stummen Schreie

Titel: Im Wald der stummen Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grange
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nordamerikanischen Missionaren. Im Grunde ist es mir lieber, nichts zu wissen. Wenn ich verhaftet würde, könnte ich dann auch nichts sagen.
    Im Moment ist Juan ruhig. Ich habe ihn im Pfarrhaus in einem kleinen Zimmer neben meinem Schlafzimmer untergebracht. Unter der Aufsicht eines Sozialarbeiters darf er im Garten spazieren gehen. Ich habe ihn als Waisenkind ausgegeben, aber alle fragen sich, in welcher Beziehung wir zueinander stehen. Uneheliches Kind. Lustknabe ... Das macht nichts. Jetzt ist gar nichts mehr schlimm.
    Jeanne übersprang einige Seiten. Sie wollte Näheres über diesen Albtraum wissen. Die Abstammung Juans alias Joachims ... Sie blätterte weiter. Roberge schilderte seine Schwierigkeiten mit den Indios und dem Militär. Mitte Juni 1982 entdeckte sie eine Anspielung auf den Zeitraum, der sie interessierte. Roberge nahm sich vor, die Aufzeichnungen, die er in Argentinien über den Fall Juan gemacht hatte, in dieses Tagebuch zu übernehmen. Bislang hatte er noch keine Zeit dafür gehabt.
    Auf den folgenden Seiten fand sie noch immer nichts oder so gut wie nichts über Juan. Roberge vermerkte die Namen der vielen Personen, die spurlos verschwanden. Hinrichtungen, Entführungen, Folterungen, Verstümmelungen. Der Jesuit ging nicht in die Details. Er schilderte auch die Übergriffe der Soldaten gegen ihn und den Orden. Die Durchsuchungen der Kirche, der Krankenstation, des Pfarrhauses ...
    Jeanne blätterte noch immer. Wochen, Monate. Knappe Bemerkungen zu Juan. »Hat gut gegessen.« »Schläft normal.« »Passt sich an das Klima an.«
    Im September wieder ein Schlag. Die Entführung einer seiner catequistas . Die Frau namens Alaide war vergewaltigt und gefoltert und dann im Hochwald zurückgelassen worden. Ihre offenen Wunden entzündeten sich. Das Opfer verfaulte buchstäblich bei lebendigem Leibe. Soldaten hielten Wache, damit ihr niemand zu Hilfe kommen konnte. Hin und wieder schlugen sie sie oder pinkelten ihr in den Mund. Ihr Martyrium dauerte über eine Woche. Danach überließen die Soldaten ihren Körper den zopilotes , einer Geierart. Roberge versuchte alles, um sie zu retten. Vergeblich.
    Im Oktober 1982 nahm sich Roberge endlich die Zeit, seine Aufzeichnungen aus Argentinien in das Heft einzufügen. Jeanne musste sich konzentrieren. Jetzt ging es um Ereignisse des Jahres 1981. Schauplatz war nicht der Atitlán-See mit seinem gemäßigten Klima, sondern die argentinische Region Noreste mit ihrer Gluthitze. Die Repression durch das Militär stellte das verbindende Glied dar. Der einzige Unterschied bestand darin, dass die Opfer aus ganz Argentinien auf einer Militärbasis interniert wurden, die denselben Namen trug wie die Ortschaft: Campo Alegre. Und dass sich alles hinter den Mauern des Konzentrationslagers ereignete.
    20. Mai 1981, Campo Alegre
    Vor zwei Tagen hat eine Frau in der Nähe des Dorfes eine merkwürdige Entdeckung gemacht. Im Wald sah sie sich plötzlich einer Horde Brüllaffen gegenüber – sie werden hier monos aulladores negros oder caráyas genannt, das ist die am weitesten verbreitete Art. Die Frau sammelte Holz in der Nähe der Lagune, in einer Zone, die hier Wald der Seelen (Selva de las Almas) genannt wird. Es waren etwa zwanzig Affen, die sich an Äste klammerten und im Blattwerk versteckten. Für gewöhnlich brüllen sie, um den Eindringling zu vertreiben, aber wenn das nichts fruchtet, ergreifen sie die Flucht. An diesem Tag aber blieben sie, wo sie waren; sie schrien, liefen erregt hin und her und warfen der Frau böse Blicke zu.
    Die Indiofrau, die einen Stock bei sich hatte, ließ sich jedoch nicht einschüchtern. Sie verjagte die Affen und näherte sich dem Baum, den sie verteidigten. An seinem Fuß befand sich ein Affe, der anders war. Schwarz, ungelenk, stöhnend. Er schaffte es nicht, den Stamm hinaufzuklettern.
    Als sie genauer hinsah, war sie sprachlos. Es handelte sich um ein Kind, dessen ganzer Körper mit verfilztem Haar überzogen war, in dem sich Blätter und Rindenstückchen verfangen hatten. Es war am Unterschenkel verletzt und konnte sich nicht mehr bewegen. Die Frau ging Hilfe holen. Eine Stunde später hatten die Männer die zurückgekehrten Affen vertrieben und das halb ohnmächtige Kind mitgenommen. Nach dem, was man mir erzählt hat, haben sie es in einen Sack gesteckt – ich bin mir sicher, dass sie dabei ziemlich brutal vorgegangen sind.
    Meine Krankenschwester, die in Campo Alegre wohnt, konnte ihn sich ansehen. Laut ihren Worten ist das

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