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Im Wald der stummen Schreie

Im Wald der stummen Schreie

Titel: Im Wald der stummen Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grange
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können.«
    »Ich habe nur den Schädel gefunden. Montagmorgen bin ich nach Nicaragua geflogen. Ich wollte Manzarena persönlich warnen.«
    »In Managua habe ich bei allen großen Hotels nachgefragt, doch nirgends war ein Gast namens Féraud abgestiegen.«
    »Ich habe mich unter einem anderen Namen in einer kleinen Pension einquartiert. Man hat nicht einmal nach meinem Reisepass gefragt. Ich habe bar bezahlt.«
    »Wie sind Sie bei Ihren Nachforschungen vorgegangen? Sprechen Sie Spanisch?«
    »Nicht besonders gut. Ich habe Manzarena gesucht. Ohne Erfolg. Ich bin kein professioneller Ermittler. Ich hab mich bei Psychiatern der Stadt erkundigt und an einschlägige Kliniken gewandt. Ich gab vor, nach einem Jugendlichen zu suchen, der wegen Autismus behandelt worden war. Damals wusste ich noch nicht, dass weder Palin noch Joachim jemals in Nicaragua gewesen sind.«
    »Wie haben Sie von meiner Anwesenheit in Managua erfahren?«
    »Durch Zufall. Ich wusste, dass Joachim wie besessen war von Blut. Also habe ich mir überlegt, welche Orte ihn interessieren könnten. Dabei habe ich herausgefunden, dass der Chef von Plasma Inc. niemand anderer als Eduardo Manzarena war. Ich wollte ihn an einem Mittwoch aufsuchen. Ich traf just in dem Moment dort ein, als Sie das Zentrum verließen und einen sehr verstörten Eindruck machten. Ich traute meinen Augen nicht. Bis zu diesem Moment waren Sie für mich nur eine entzückende, wenn auch etwas verwirrte junge Frau gewesen, die ich in der Woche zuvor bei einer Ausstellung kennengelernt hatte.«
    Jeanne fielen die Adjektive »jung« und »entzückend« auf. Sie verwahrte sie sorgfältig in ihrer Schatzkiste. Und vergaß augenblicklich den Ausdruck »etwas verwirrt«.
    »Ich bin Ihnen nachgegangen«, fuhr Féraud fort. »Ich habe vor Manzarenas Villa gewartet. Dann sah ich, wie die Polizeiautos und die Krankenwagen eintrafen und wie Sie mit einer hochgewachsenen Indiofrau sprachen. Ich verstand überhaupt nichts. Sicher erinnern Sie sich, dass Sie mir über Ihren Beruf die Unwahrheit gesagt haben. Sie haben sich als Chefin eines Textbüros ausgegeben.«
    Jeanne zuckte mit den Schultern.
    »Ich wollte Sie nicht erschrecken. Bei Männern kommt es besser, wenn man Stewardess ist, als wenn man sich als hohe Beamtin zu erkennen gibt.«
    »Das Prestige der Amtstracht ... Sie tragen doch bestimmt eine Richterrobe, oder?«
    »Nie. Ermittlungsrichter nehmen nicht an Prozessen teil.«
    »Schade.«
    Sie verstummten. Alle beide überrascht von der Wendung, die das Gespräch genommen hatte. Mitten in einem Albtraum hatten sie zu scherzen begonnen ...
    »Und dann?«, fragte Jeanne, unvermittelt ernst geworden.
    »Ich habe ein Internetcafé gefunden und über Sie recherchiert. Sie sind auf Ihrem Gebiet eine Art Berühmtheit. Da wurde mir klar, dass Sie mich manipuliert hatten.«
    »Ich habe Sie nicht manipuliert. Es sind einfach mehrere Umstände zusammengetroffen.«
    »Sie sind in meinem Leben aufgetaucht.« Er schnalzte mit den Fingern. »Einfach so. Und nun erfuhr ich, dass Sie Ermittlungsrichterin sind. Ich nahm an, dass Sie mir schon am ersten Abend mit Ihren Reizen die Würmer aus der Nase ziehen wollten.«
    »Meine Reize?«
    »Unterschätzen Sie sich nicht.«
    Der Flirtton, schon wieder ...
    »Was haben Sie dann gemacht?«
    »Am nächsten Tag habe ich über Eduardo Manzarena recherchiert. Das war leicht, denn alle Zeitungen haben ihn porträtiert. In der Zwischenzeit las ich die französische Presse und fand heraus, dass Joachim vor dem Mord an Francesca in Paris schon zwei Mal zugeschlagen hatte. Aber in Managua kam ich nicht weiter. Ich hatte keine Spur, kein Indiz, nichts. Und es war unmöglich, in dieser Stadt Joachim und seinen Vater aufzuspüren. Mir wurde klar, dass ich mich getäuscht hatte. Ich hatte weder die Mittel noch die Befugnisse, um sie ausfindig zu machen.«
    »Weshalb sind Sie nach Guatemala gefahren? Sind Sie meiner Spur gefolgt?«
    »Nein. Ein anderer Zufall. Ich bin am Donnerstagabend zur französischen Botschaft gegangen. Dort sprach ich mit dem Kulturattaché, einem gewissen Marc, der sich sehr kooperativ gezeigt hat.«
    »Wir hätten uns dort begegnen können.«
    »Allerdings. Im Gespräch hat er eine Französin erwähnt, die gerade nach Antigua gefahren sei. Entschuldigen Sie, aber er sagte, diese Frau habe auf ihn einen leicht ... hysterischen Eindruck gemacht. Ich ahnte, dass Sie es sind ... Früh am Morgen bin ich nach Guatemala City geflogen. Ich habe einen Wagen

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