Im Westen geht die Sonne unter
Mausklicks ein ganz anderes Bild auf den Schirm holte. Die Darstellung ähnelte einem Gittermodell, mit dem Computer-Animateure virtuelle Filmszenen entwarfen. Das Gittermodell dieses Raumes, in dem die Säulen, die Galerie, der Tisch mit dem Computer und die Umrisse ihrer selbst deutlich zu erkennen waren. Sie positionierte eine virtuelle Kamera in der Szene und ließ sie auf einem Pfad durch den Raum gleiten, den die Roboter nicht geflogen waren. »Alles errechnet aus den Aufnahmen der Spione«, schmunzelte sie zufrieden.
»Das ist – unglaublich«, stammelte Alex überwältigt.
Emma war noch nicht fertig mit ihrer Demonstration. Ein Tastendruck fror die Bewegung der Kamera ein. Eine Sekunde später änderte sich das Bild schlagartig. Statt Gitterlinien und Umrissen zeigte der Bildschirm ein Foto der Szene. Es war auf den ersten Blick nicht zu unterscheiden von einem echten Foto, obwohl jeder Bildpunkt aus hunderten von Aufnahmen der fliegenden Spione gerechnet sein musste.
Er war restlos begeistert. So raffiniert hatte er sich Emmas Entwicklung trotz der Vorbesprechung nicht vorgestellt. »Genial, ihr habt euch selbst übertroffen.« Er sah, wie Alex nachdenklich den Kopf schüttelte. Sie blieb auffallend still, unsicher, was sie von der Vorstellung halten sollte. »Was meinst du dazu?«, fragte er neugierig.
»Fantastisch – aber sind sie nicht etwas zu groß?«
Er grinste unsicher, während Emma spöttisch lachte, was Alex offensichtlich wenig schätzte.
»Stimmt es etwa nicht?«, zischte sie Ryan ungehalten ins Ohr.
Emma räusperte sich. »Ich gebe zu, als Spionage-Gag sind die Flugzeuge ein wenig auffällig, wenn sie auch keinen großen Lärm verursachen«, meinte sie ernst.
»Sag ich ja.« Alex stieß ihn in die Rippen. »Sag doch auch mal was«, forderte sie zwischen den Zähnen.
»Äh – ja – ich habe eigentlich etwas Kleineres erwartet, sozusagen unsichtbar«, stammelte er.
Wieder erschien der spöttische Ausdruck auf Emmas Gesicht. »Unsichtbar, was du nicht sagst.« Sie griff zu ihrem Smartphone, wischte ein paar Mal mit dem Zeigefinger über den Bildschirm, dann hielt sie ihnen das Gerät unter die Nase. »Was meint ihr dazu?«
Der brillante Farbbildschirm zeigte ein gestochen scharfes Foto. Nicht außergewöhnlich für ein modernes Handy, aber was das Foto darstellte, verschlug ihnen den Atem. Im Vordergrund sah man sie drei beim Computer. Emmas Augen ruhten auf eben diesem Handy, während sie zum Schwarm der kleinen Flugzeuge hinaufschauten. Die fünf Spione waren deutlich im Hintergrund zu sehen. Die Aufnahme konnte unmöglich von einem der fliegenden Roboter stammen, und doch musste sie mit einer Kamera geknipst worden sein, die in ihrer Nähe in der Luft schwebte. Oder es war wieder eines der gerechneten Bilder, die sie vorher auf dem Monitor gesehen hatten. Emma beantwortete seine Frage, bevor er sie stellen konnte. Sie tippte eine kleine Schaltfläche am unteren Rand des Displays an. Ein anderes Bild erschien. Wieder sie drei im Vordergrund. Keine Flugzeuge diesmal, aber ...
»Heiliges Kanonenrohr«, rief er aus.
Die Leute auf dem Bild bewegten sich, so wie sie sich in diesem Augenblick bewegten. Es war kein Foto. Etwas Unsichtbares irgendwo hinter ihnen, über ihren Köpfen, beobachtete sie.
Alex fuhr erschrocken herum, als sie die Erkenntnis wie ein Blitz traf. »Wo ist es?«, rief sie bestürzt.
Emma wischte nochmals über den Touchscreen. Das Bild des unheimlichen Auges verschwand. »Jetzt klammert es sich an Ihren Hosen fest, meine Liebe«, bemerkte sie gleichmütig.
Alex machte einen Satz zur Seite, schaute entsetzt auf ihre Kleider und drehte sich dabei um die eigene Achse.
»Keine Angst, es beißt nicht«, beruhigte Emma. Sie strahlte. Die Überraschung war ihr gelungen.
»Ich sehe nichts«, klagte Alex verwirrt.
»Hinten, im blinden Fleck.«
Ryan lachte erleichtert. »Sie meint deinen Po.« Ungeniert griff er Alex an den Allerwertesten, bevor sie sich dagegen wehren konnte. Er hatte die kleine schwarze Fliege gesehen. Sie war so unscheinbar wie eine Fruchtfliege.
»Was fällt dir ein?«, schnaubte Alex.
Er zeigte ihr das feine Gebilde mit dem übergroßen Kopf, den seltsamen Fühlern und zerbrechlichen Flügeln. »Das ist unser Spion«, erklärte er voller Bewunderung für das technische Meisterwerk.
»Na, habe ich zuviel versprochen?«, fragte Emma. Sie nahm ihm den winzigen Roboter sorgfältig aus der Hand und legte ihn auf einen Objektträger unter das
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