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Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
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waren. An der gegenüberliegenden Wand standen lange, schmale Tische mit Computern und elektronischen Messgeräten. Im Zentrum der sonst leeren Halle hatte man eine Art Skulptur aus gigantischen Säulen verschiedener Höhe und Dicke aufgestellt. Verschieden farbig bemalter Schaumstoff, wie es schien. »Unser Flugplatz«, meinte Emma schmunzelnd.
    Sie blieb vor einem leeren Whiteboard stehen und nahm einen schwarzen Filzstift in die Hand. »Ich möchte euch zuerst kurz erklären, woran wir in der letzten Zeit gearbeitet haben.« Sie schrieb das Wort auf die Tafel, das ihn dazu bewogen hatte, Alex hierher zu locken: SWARMBOTS. »Swarmbots oder Microbots sind kleine, autonom operierende Roboter, die untereinander kommunizieren und im Schwarm oder einzeln Erkundungsaufgaben erfüllen können. Unser Ziel ist es, zu verstehen, wie sich Schwarmintelligenz bildet und natürlich, die Roboter immer kleiner, leistungsfähiger und energiesparender zu machen.«
    Während sie sprach, schrieb sie, ganz Dozentin, die wichtigsten Stichwörter an die Tafel und vernetzte sie mit Pfeilen. Alex warf ihm einen verstohlenen Blick zu, der eine gewisse Ungeduld ausdrückte, aber sie hielt den Mund.
    »Unsere Arbeit beruht auf Ergebnissen unserer Freunde in der Schweiz. Die EPUL, die Technische Hochschule in Lausanne, ist Pionierin in der Entwicklung von Swarmbots und miniaturisierten Robotern. Ihr Projekt ›SMAVNET‹, Swarming Micro Air Vehicle Network, hat uns viele Impulse gegeben.«
    »Fliegende Spionage-Roboter?«, fragte Alex, die endlich zur Sache kommen wollte.
    Emma musterte sie irritiert, dann nickte sie langsam. »Ja, so könnte man es auch ausdrücken«, gab sie zu. »Jedenfalls können unsere Bots auch fliegen.«
    Sie setzte sich an einen der Computer, tippte ein paar Zeichen ein, öffnete ein Fenster mit einem Mausklick und schaute in die Höhe. »Bist du bereit, Jerry?«, rief sie hinauf.
    »Fünf sind startklar«, antwortete ein junger Mann auf der Galerie, die sie noch gar nicht bemerkt hatten.
    »Gut, es geht los.« Sie drückte die ENTER-Taste. »Schaut einfach eine Weile zu.«
    Ein leises Summen lenkte ihre Blicke hinauf zur Galerie. Durch einen schmalen Spalt zwischen den Säulen sahen sie ein kleines Flugzeug, eigentlich nur ein Paar Flügel, wie ein Frisbee aus der Wand schießen. Gleich danach ein zweites, ein drittes. Das seltsame Kunstwerk verdeckte die Sicht weitgehend, aber Ryan konnte sich vorstellen, was sich dahinter abspielte. Der kleine Schwarm der fünf Miniaturflugzeuge, die Jerry mit seiner Antwort gemeint hatte, sammelte sich beim Hindernis. Es war, als hielten die fliegenden Roboter Rat, wie sie die Barriere des störenden Kunstwerks überwinden sollten. Im nächsten Augenblick hatte er die Bestätigung: Die ersten beiden Flugzeuge tauchten zwischen den am weitesten auseinander stehenden Säulen des Labyrinths auf. Ihnen folgten in kurzem Abstand drei weitere, die sich andere Wege durch das Hindernis gesucht hatten. Ihn schauderte, als sich die silbern glänzenden Flügel vor ihren Augen wie ein kleiner Vogelzug formierten und über ihren Köpfen zu kreisen begannen.
    »Schaut auf den Bildschirm«, forderte Emma sie auf, während sie sich scheinbar teilnahmslos ihrem Smartphone widmete.
    Alex konnte einen überraschten Ausruf nicht unterdrücken. »Die beobachten uns«, platzte sie aufgeregt heraus.
    »Wie Spione das eben tun«, meinte Emma mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen.
    Der Bildschirm zeigte die gestochen scharfe Luftaufnahme ihrer kleinen Gruppe. Der kreisende Schwarm lieferte eine hochauflösende Videoüberwachung. Ein stabiles Bild, als hätte man eine Kamera über ihren Köpfen fixiert.
    »Ich bin beeindruckt«, murmelte Ryan anerkennend.
    Die selbständige Navigation der kleinen Flugkörper allein war schon eine beachtliche Leistung, die nur durch die Zusammenarbeit von Spezialisten aus unterschiedlichen Fachgebieten erreicht wurde. Die hervorragende Qualität und das in Echtzeit gerechnete Überwachungsbild aber betrachtete er als die wahre Meisterleistung. Auf ein stilles Kommando zog sich der Schwarm wieder zurück. Nach wenigen Sekunden waren die Flugzeuge hinter den Säulen verschwunden. Das Summen hörte auf.
    »Das ist noch nicht alles«, lächelte Emma, sichtlich befriedigt vom Eindruck, den ihre Vorführung auf die Gäste machte. Sie setzte sich an den Computer. »Die Aufnahmen werden natürlich dreidimensional gespeichert«, bemerkte sie, während sie mit wenigen

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