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Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
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verbarg sich hinter seinem Rücken. »Die Schlange und ein Gorilla sind bei ihm.«
    Die drei kamen auf ihrer Straßenseite auf sie zu. »Du kennst sie?«, fragte er überrascht, während er die nette Gruppe unauffällig fotografierte. Das Programm, das Emmas Microbots steuerte, leistete viel mehr als er anfangs dachte. Es merkte sich die Gesichter und Umrisse der Personen auf dem Foto. Er brauchte nur noch den kleinen Mann in der Mitte anzutippen, schon wusste die künstliche Fliege, wem sie folgen musste. Emma hatte vollkommen recht. Jeder Idiot konnte mit der raffinierten Technologie umgehen. Je komplexer die Technik, desto dümmer durften die Menschen sein, die sie benutzten. Das Paradoxon des elektronischen Zeitalters.
    Das Trio ging schweigend an ihnen vorbei. Er warf zwei der winzigen Roboter in die Luft. Ihre Flügel begannen zu vibrieren. Sie flogen im Zickzack davon wie zwei Mücken auf der Suche nach dem nächsten Opfer. Er hatte sie kaum losgelassen, da kreuzten zwei eilige Geschäftsleute Lis Weg zur Bank. Bevor er reagieren konnte, hakte sich einer der fliegenden Spione im Anzug des einen fest. Ryan fluchte leise. Der Mann befand sich noch in Reichweite für den Funkkontakt zum Microbot, aber er wagte nicht, den Verirrten zurückzurufen. In seiner Aufregung hätte er womöglich den falschen erwischt. Die andere Fliege hatte sich brav ans Hosenbein des Herrn Li geheftet.
    »Das war verdammt knapp«, keuchte er. Die Aktion beschleunigte seinen Puls wie der Ritt in die Tube einer Monster-Welle beim Surfen.
    Alex grinste säuerlich. »Doch noch nicht perfekt, das Spielzeug. Aber genial.«
    Er atmete ein paar Mal tief durch. Einer der kleinen Spione war endgültig verloren. Der Verlust ließ sich verschmerzen, wenn der andere heil zurückkehrte. Sie beobachteten, wie Li mit seinen Leibwächtern die Bank betrat. Jetzt brauchten sie nur noch Geduld.
    »Hoffentlich setzt er sich nicht drauf«, spottete sie, während er auf seinem Touchscreen die Rückrufaktion vorbereitete.
    »Kaum anzunehmen. Ich fürchte eher, dass die Tonqualität nicht ausreicht.« Er hatte die künstliche Fliege auf passives Mithören programmiert. Sie würde sich nicht bewegen, lediglich alles aufzeichnen, was ihr empfindliches Mikrofon hörte.
    »Ein blinder Spion mit Hörbehinderung, großartige Technologie.«
    »Abwarten. Ich wollte einfach das Risiko nicht eingehen, die Fliege zu verlieren. Vielleicht finden deine Kollegen im Hotel auch etwas Brauchbares.«
    »Unsere Freunde aus Langley filzen gerade Lis Zimmer. Wenn Li so dumm ist, dort sensitive Informationen aufzubewahren, werden sie die finden. Darauf kannst du Gift nehmen.«
    »Ich werde mich hüten«, murmelte er leise. Von der Durchsuchung des Zimmers versprach er sich nichts, schon eher von den Wanzen, welche die CIA-Leute hinterlassen würden. Ein vertrauliches Gespräch mit seinem Zürcher Hausbanker aufzuzeichnen erschien ihm dagegen, als hätten sie den heiligen Gral der Spione gefunden. Der erste Schritt war wider Erwarten geglückt. Das ließ hoffen. Hier in der Schweiz herrschte mildes Herbstwetter, nicht Dauerregen wie in London. Dort wäre Emmas raffinierter Käfer sofort im nächsten Gully gelandet.
    Alex trat nervös von einem Fuß auf den andern, schaute immer wieder auf ihre Uhr. »Das kann dauern«, grollte sie.
    Er setzte zu einem bissigen Kommentar an, da kniff sie ihn derb in den Arm.
    »Sie kommen«, flüsterte sie aufgeregt.
    Die Besprechung dauerte keine halbe Stunde. Zuerst traten die beiden Aufpasser ins Freie. Die Schlange beobachtete ihre Straßenseite. Ihr bulliger Kollege tat das Gleiche in der Talstraße auf der Längsseite des Häuserblocks. Dann erst erschien Li in der Tür. Die drei überquerten die Straße und kamen auf sie zu. Li schien es eilig zu haben, ins Hotel zurückzukehren. Er trippelte sichtlich vergnügt zwischen den Bodyguards an ihnen vorbei.
    »Dein blödes Grinsen wird dir auch noch vergehen«, knurrte Ryan leise. Er löste den Rückrufbefehl auf seinem Handy in dem Moment aus, als Li ihnen den Rücken kehrte. Angespannt suchte er den winzigen schwarzen Fleck auf dem dunklen Stoff, ohne die Fliege zu entdecken. Auf seinem Touchscreen erschien nur eine nackte Zahl, die ihn fatal an die Fehlercodes in Fort Meade erinnerte.
    »Was ist los?«, fragte Alex ängstlich, die sich wieder hinter ihm versteckt hatte.
    »Nichts ist los, verflucht noch mal.« Das Programm auf seinem Smartphone reagierte auf keine Berührung mehr. Nur der

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