Im Westen geht die Sonne unter
abtastete, stockte ihm kurz der Atem. Aus der Nähe sah der Koffer ziemlich billig aus, zu billig, um darin Geheimnisse und Wertsachen aus einer Bank zu transportieren. Schließlich nickte ihm der Mann zu. Ryan packte den Koffer und folgte Alex und ihrem Führer in die nächste Schleuse. Er atmete erst auf, als sie im Lift zu den Privaträumen hinunterfuhren.
»Nummer 3024, der Tresor von Mr. Li«, sagte ihr Guide. »Ich lasse Sie jetzt allein. Wenn Sie mich brauchen, finden Sie mich im Empfangsraum auf dieser Etage.«
Alex zückte wieder ihren Zettel und verabschiedete den Angestellten mit einem süßen Lächeln. »Vielen Dank. Wir werden nicht mehr als eine halbe Stunde benötigen.«
Sie wartete bis er außer Sichtweite war, dann holte sie erst einmal tief Atem. Ryan sah, dass ihre Hände leicht zitterten, als sie begann, den PIN-Code vom Zettel abzutippen.
»Nur die Ruhe«, flüsterte er leise genug, dass die Mikrofone der Überwachungskameras nichts hörten.
Wortlos drückte sie auf die grüne Taste. Sofort begann ein Motor zu summen. Ein metallischer Klick entriegelte das Schloss. Die schwere Stahltür schwang erstaunlich geräuschlos auf. Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Alex kniff ihn diskret in den Arm, während sie mit vergnügtem Grinsen wartete, bis die Öffnung groß genug war, sie durchzulassen. Die Analysten der NSA hatten die Piepstöne des Videos offensichtlich richtig interpretiert. Sie betraten das Allerheiligste der ›Galaxy Boom Industries‹, tief im Berg verborgen, der schon Jahrmillionen unbeschadet überstanden hatte. Ein Versteck, dessen dunkle Geheimnisse zu brisant waren, um sie irgendeinem Geldschrank in Lis Heimat anzuvertrauen.
Eine mobile Sichtschutzwand versperrte den Blick auf den Inhalt des Gewölbes. Hinter der Wand blieben sie wie angewurzelt stehen. Obwohl sie alles bereits auf den Videos gesehen hatten, verschlug ihnen der Anblick die Sprache. Sie standen vor einer Wand aus purem Gold. Bis unter die Decke stapelten sich die glänzenden Barren und tauchten den Raum in das unwirkliche Licht einer fantastischen Schatzkammer. Die goldene Mauer war drei oder vier Lagen dick.
»Hunderte von Tonnen«, murmelte Ryan überwältigt, als er endlich die Sprache wieder fand. Nach seiner Schätzung blickten sie auf gegen Milliarden Dollar. »Heiliger Strohsack, damit kann man ganze Staaten kaufen. Auch größere, wenn der Preis weiter explodiert.«
»Vielleicht hat er das auch vor«, meinte Alex heiser.
Es kostete ihn Überwindung, sich vom unglaublichen Anblick loszureißen. Sie waren nicht des Goldes wegen gekommen und mussten sich beeilen. Er legte den Koffer auf den Schreibtisch in der Ecke. Bevor sie etwas anfassten oder weitersprachen, zogen sie die Gummihandschuhe aus dem Koffer an. Alex nahm ein Gerät heraus, das auf den ersten Blick wie ein Handy aussah. Sie schaltete es ein, beobachtete den kleinen Bildschirm ein paar Sekunden, dann hob sie es hoch, schwenkte es einige Male über dem Schreibtisch und dem Telefon und schlenderte damit den Wänden entlang.
»O. K.«, sagte sie zufrieden, als sie es wieder ausschaltete. »Keine Wanzen.«
»Hoffentlich funktioniert deine Technik.«
»Wenn’s meine wäre, würde ich ihr nicht trauen. Also, los geht’s.«
Ihr Interesse galt dem Gestell neben der Goldwand. Alex begann sofort, die Archivboxen mit Dokumenten zu durchkämmen, während er vorsichtig den Deckel des Metallkoffers anhob. Ein Stapel steifer, schwarzer Plastikblätter, in transparente Folie eingeschweißt, lag auf dem Boden des Behälters. Es sah aus wie eine Kollektion klassischer Röntgenaufnahmen. Er war kein Physiker, aber er erkannte die Bedeutung der Blätter sofort. Foto-Negative für die Herstellung von Computer-Chips. »Da sind sie ja«, murmelte er erregt.
»Was meinst du?«, fragte Alex abwesend, ohne von ihrer Lektüre aufzublicken.
»Die Vorlagen für die SWIFT-Chips. Wenigstens der Teil des Designs, der nicht in den Spezifikationen aus Brüssel stand, nehme ich an.«
»Gut, ausgezeichnet. Sollen sich die Kollegen aus dem Labor damit amüsieren.«
Auf den Negativen lag ein Heft, daneben eine Art Smartphone. Das Heft war nichts als eine lose Blättersammlung. Viel chinesischer Text, einige englische Code-Wörter, die ihm ohne den Zusammenhang nichts sagten, und ein paar Tabellen. Er hielt ihr das erste Blatt hin und fragte: »Sagt dir das was?«
Erst schüttelte sie den Kopf nach einem kurzen Blick, doch dann sah sie genauer hin. Ein spitzbübisches
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