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Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
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die Festnetznummer der Überwachungszentrale anzurufen. Immerhin besser als gar nichts.
    »Jetzt gilt’s ernst, Leute«, meinte Alex lapidar. »Sonnenbrille auf und los geht’s wie besprochen.«
    »Pass auf dich auf«, flüsterte ihm Jessie ängstlich zu, als er ausstieg.
    »Wird schon schiefgehen.«
    Eigentlich konnte nicht viel misslingen. Alex hatte die Aktion mit massiver Unterstützung der NSA und der CIA-Mannschaft in Zürich gewissenhaft und bis ins letzte Detail vorbereitet. Jeder wusste genau, was zu tun war. Fast jeden Schritt, jeden Handgriff hatten sie geübt und mehrfach durchgespielt, ihren Text praktisch auswendig gelernt. Ihre Tarnung war professionell ausgearbeitet. Sie kamen in offizieller Mission der Bank ›Escher, Stadelmann & Co‹ im Auftrag ihres Kunden ›Galaxy Boom Industries‹. Er hatte in den letzten zweiundsiebzig Stunden mehr gelernt über die Arbeit der Geheimdienste als aus allen Zeitungen, Büchern und Filmen zuvor. Die Vorbereitung ihres Plans war aufwendig, die Durchführung fast beunruhigend einfach. Und Alex kannte für jeden Fall einen Plan B, wie ihm schien.
    Wie von Zauberhand öffnete sich das Tor. Alex raunte ihm eine letzte Warnung zu: »Du überlässt mir das Reden, klar?«
    »Zu Befehl, Chefin.«
    Sie war als Kundenbetreuerin angemeldet, er spielte die Rolle ihres Assistenten und Trägers. Er hievte den leeren, großen Metallbehälter aus dem Kofferraum. Er glich dem Exemplar im Tresor, das sie auf dem Video der Spione gesehen hatten.
    Zwei bewaffnete Uniformierte führten sie zum Empfang. Alex stellte sich vor. Sie wechselte ein paar Worte auf Deutsch mit dem diensthabenden Empfangschef, wobei sie ihren amerikanischen Akzent betonte. Die Methode funktionierte. Der Mann lächelte zuvorkommend und wechselte die Sprache: »Wir können uns gerne auf Englisch unterhalten, ist bequemer so, glaube ich.«
    Die Leute hierzulande waren samt und sonders Sprachgenies, dachte Ryan dankbar. Alex gab dem Empfangschef eine der falschen Visitenkarten, die sie als Dr. Jane Campbell auswies, Stellvertretende Direktorin der Bank ›Escher, Stadelmann & Co‹. »Mr. Li hat uns vor seiner Abreise gebeten, diese Dokumente in seinem Schließfach zu deponieren«, erklärte sie mit einem Blick auf den Koffer. »Ich nehme an,  Mr. Bauer hat Sie bereits informiert.«
    »Sicher, Dr. Campbell. Wenn Sie sich bitte beide hier eintragen möchten.«
    Der simple Trick mit der Visitenkarte funktionierte nur solange die Sicherheitsleute dieser Festung die Nummer auf der Karte für Kontrollfragen benutzten. Sie führte direkt in eine Zentrale der NSA, wo der falsche Mr. Bauer jede Anfrage freundlich beantworten würde. Ryan bewunderte Alex. Sie zeigte keinerlei Nervosität. Ihr Auftritt verströmte Selbstsicherheit und professionelle Effizienz, ohne arrogant zu wirken. Sie spielte ihre Rolle so überzeugend, dass niemand auf die Idee kam, ihre Identität zu überprüfen. Der Zugang zum Tresor war ohnehin mehrfach abgesichert.
    »Sie sind vertraut mit unseren Sicherheitsvorkehrungen?«, fragte der Empfangschef.
    »Mr. Li hat uns informiert.« Alex zog ein Blatt Papier aus der Tasche ihres Blazers. Sie entfaltete es so, dass ihr Gegenüber das Logo der Bank deutlich sehen musste. »Ich habe alles notiert«, bemerkte sie dazu.
    Der Empfangschef nickte befriedigt und schob ihr ein Formular hin. »Wenn Sie dann bitte hier Mr. Lis Kennwort notieren möchten.«
    Der erste echte Test, dachte Ryan. Sein Puls erhöhte sich schlagartig. Wenn ihre Auswertung der Videos nicht hundertprozentig perfekt war, könnte ihr Abenteuer abrupt und sehr unangenehm enden. Alex warf einen Blick auf ihre Notizen, obwohl sie das Kennwort sicher auswendig gelernt hatte, dann schrieb sie es auf das Formular.
    Der Empfangschef lächelte, legte das Formular in ein Dossier und tippte das O. K. in die Tastatur seines Computers. Ryan vermutete, dass erst jetzt der Weg durch die Schleusen zu Lis Tresor frei war. Auf einen Wink des Empfangschefs gab ein weiterer Angestellter den Code an der Panzertür ein. Die Tür schwang auf, und sie betraten die eigentliche Kaverne. Der Sicherheitscheck wie auf dem Flughafen folgte, genauso wie ihn die kleinen Spione aufgezeichnet hatten: Handscanner, abtasten, Taschen leeren, Handy abgeben. Selbst seinen etwas dick geratenen Kugelschreiber musste Ryan zurücklassen. Er hatte kein Problem damit. Nur als der Angestellte seinen Koffer auf den Tisch hievte und ihn von allen Seiten gründlich betrachtete und

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