Im Westen geht die Sonne unter
weiter.
»Hättest du gern«, grinste er, aber wohl war ihm nicht dabei. Er nippte cool am Drink, da klopfte es an die Zimmertür. »Wer mag das sein zu dieser Stunde?«, fragte er gestelzt. Seine gute Laune verrauchte augenblicklich, als er durch den Türspion spähte, und das Herz rutschte ihm in die Hose. Draußen im Flur stand Jessie.
Kapitel 13
Zürich
Jessie schaute an ihm vorbei zum Schreibtisch, wo Alex mit dem Cocktailglas in der Hand und geröteten Wangen ihr verlegen zulächelte. Ryans Kehle fühlte so trocken an, dass er fürchtete, nie wieder ein vernünftiges Wort über die Lippen zu bringen. Vielleicht lag es auch am Schwarzen Loch in deinem Kopf. Es ist nicht so wie’s aussieht, war der einzige Gedanke, der ihm in den Sinn kam, als Jessie ihn zur Seite schob und das Zimmer betrat.
»Störe ich?«, fragte sie mit einem warnenden Blick.
Sag jetzt nichts Falsches, las er in ihren Augen. Keine Spur von Schlafzimmerblick diesmal. »Jessie – Schatz«, stammelte er heiser.
Alex zog sich diskret zur Tür zurück. »Ich habe einige Anrufe zu erledigen«, murmelte sie beim Verlassen der Schreckenskammer.
»Du hier?«, krächzte er ungläubig. Unsicher wollte er ihr einen Kuss auf die Wange drücken, aber sie stieß ihn weg.
»Kannst du mir erklären, was ihr hier zu feiern habt?«
Er hielt sein Glas noch immer in der Hand. Wieder drängte sich die dümmste aller Ausreden in den Vordergrund, doch er behielt sie für sich. Er stellte das Glas neben Alex’ halb leeren Cocktail und deutete auf die Notizblätter, die den Schreibtisch bedeckten. »Wir haben gearbeitet«, antwortete er ohne große Hoffnung, sie dadurch zu besänftigen.
»Und warum hast du nichts von ihr gesagt, wenn es bloß um Arbeit geht ?«
Arbeit fett gedruckt. Diese Frage stand ganz oben auf seiner Liste der Fragen, auf die es keine Antwort gab. Bis vor ein paar Stunden hätte er locker ohne Zögern geantwortet, aber jetzt hörte sich selbst die Wahrheit wie eine lahme Ausrede an. Er musste sich schuldig bekennen, wenigstens teilweise. »Ich bin ein Idiot«, sagte er reumütig.
»Gut beobachtet.«
»Ich hätte dir sagen müssen, worum es geht.«
»Ich höre?«
»Vielleicht setzen wir uns erst einmal. Es ist eine lange Geschichte.«
Der Anfang war schwer, aber mit der Zeit vergaß er, was in Alex’ Zimmer geschehen war. Er vermochte sich besser darauf zu konzentrieren, seine Verstrickung mit dem amerikanischen Geheimdienst zu erklären. In einigermaßen zusammenhängenden Sätzen schilderte er ihr, wie er mehr oder weniger zufällig in die Rolle des Jägers nach den Verantwortlichen der neuen Finanzkrise geschlittert war. Jessie hörte aufmerksam zu. Die anfängliche Skepsis wich zunehmender Sorge mit einer guten Portion Ärger, wenn er ihren Gesichtsausdruck richtig deutete.
»Und jetzt wollt ihr beide also die Welt retten«, lästerte sie am Ende.
»Schön wär’s, wenn wir das könnten. Willst du denn nicht auch, dass die Verbrecher gestoppt werden, die deinen Onkel George auf dem Gewissen haben?«
»Schon, aber warum überlasst ihr das nicht der Polizei?«
»Die braucht Beweise, und Li ist bisher nichts Handfestes nachzuweisen. Wir wollen Beweismaterial beschaffen, damit ihn die Behörden offiziell ein für alle Mal stoppen können.« Als er sah, dass sie noch nicht überzeugt war, beschloss er, noch ein weiteres Stück der traurigen Wahrheit preiszugeben. »Da ist noch etwas«, fuhr er fort. Er öffnete seine Brieftasche und gab ihr einen der Zettel daraus, die er schon fast vergessen hatte. »Diese Notiz habe ich am Gartentor eures Hauses gefunden, in der Nacht, als es brannte.«
»Chinesisch? Was soll ich damit?«
Es dauerte eine Sekunde, bis sie verstand, was er mit dem Zettel sagen wollte. Sie schaute ihn erschrocken an und wisperte:
»Du meinst – die haben ...«
Er nickte düster. »Den Brand gelegt, ja«, sagte er, »und sie wollten, dass wir es wissen.«
»Was steht drauf?«
»Weiß nicht. Ist auch egal. Es hängen ja nicht zufällig chinesische Notizen an Gartenzäunen in Weymouth, glaube ich.«
»Das ist doch ein Beweisstück«, meinte sie kopfschüttelnd. »Fingerabdrücke und so.«
»Sind wohl nur meine drauf. Und wenn schon, beweisen kann man damit gar nichts. Die wollten uns nur Angst einjagen.«
»Ist ihnen auch gelungen.« Sie setzte sich unvermittelt rittlings auf seinen Schoß, schaute ihm tief in die Augen und fragte: »Da läuft wirklich nichts zwischen euch beiden?«
»Traust
Weitere Kostenlose Bücher