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Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
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der Gewalt des Mannes, der im Begriff war, die Finanzwelt umzukrempeln. Der Mann, der mit seinen manipulierten Schaltkreisen sozusagen die Erdachse zum Kippen brachte, dessen Macht ausreichte, dem Westen und seiner Leitwährung das Genick zu brechen. In den Händen des skrupellosen Syndikats, das die Finanzwelt und die gesamte Wirtschaft an den Rand des Abgrunds trieb, um seinen Einfluss zu stärken und seine Reichtümer in schwindelerregendem Tempo zu mehren. Sie waren so gut wie tot. Tot wäre besser, schoss ihm durch den Kopf. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Der Empfangschef lehnte mit schmerzverzerrtem Gesicht in einer Ecke. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten, stützte sich schwer auf die Handgriffe an den Wänden. Von ihm war keine Hilfe zu erwarten. Der Lift hielt an. Frische Bergluft stach ihnen in die Nase. Die Sonne blendete. Blinzelnd erkannte Ryan den Helikopter vor dem stahlblauen Himmel. Die Plattform schwebte scheinbar frei in der Luft. In weiter Ferne glänzten weiße Bergkuppen.
    Er stellte den Koffer ab und blieb schwer atmend stehen, wollte verzweifelt Zeit gewinnen. Alex folgte seinem Beispiel, blieb ebenfalls stehen. Da packte sie die Schlange und schleuderte sie mit einem wütenden Ausruf zu Boden. Mit eisernem Griff fasste sie ihr an den Kragen, schleifte sie wie einen Sack zum Helikopter. Ryan schlug das Herz bis zum Hals. In ohnmächtiger Wut riss er den schweren Koffer hoch, schwang ihn wie ein Hammerwerfer um sich und brüllte dabei wie am Spieß. Sein Geschoss traf den überraschten Bullen frontal im Gesicht. Mit blutender Nase sackte er geräuschlos zusammen und blieb bewusstlos liegen. Wie ein Derwisch in Trance drehte sich Ryan weiter. Die spitze Ecke des Metallkoffers bohrte sich in den Hinterkopf eines zweiten Peinigers, der röchelnd vornüber auf den Beton klatschte. Aus den Augenwinkeln sah Ryan den Lauf der Pistole aufblitzen, der auf seinen Kopf zielte. Er hörte den Schuss, dann noch einen, eine ganze Salve. So stirbt es sich also im Kugelhagel, dachte er fast erleichtert, während er in die Knie sank. Er spürte keinen Schmerz, sah wie die andern Männer von Lis Truppe gleichzeitig zu Boden gingen. Plötzlich hörte er laute Rufe. Andere Stimmen, englisch gebellte Befehle. Jemand packte ihn an den Schultern.
    »Kommen Sie, wir bringen Sie in Sicherheit«, sagte der Mann im blauen Overall.
    Willenlos folgte er ihm an den Rand der Plattform, die Hand am Koffergriff. »Wer sind Sie?«, fragte er unvermittelt. »Wo ist Alex?«
    »CIA. Die Kollegen kümmern sich um Alex.«
    »Was ist mit ihr?«
    »Sie haben sie als Geisel genommen. Wir kümmern uns darum«, versuchte ihn der Mann im Overall zu beruhigen.
    »Alex«, stöhnte er verzweifelt. Dann sah er sie. Hart am Abgrund stand die Schlange mit Alex als Schutzschild. Ihr Arm krallte sich um den Hals ihrer Geisel wie das Würgeisen einer Garotte. Ein leichter Druck und Alex wäre mausetot. Drei Männer in blauen Overalls begannen sie einzukreisen. Die Schlange rief ihnen eine scharfe Warnung zu, machte einen letzten Schritt ans Ende der Plattform. Die Männer hielten an, zogen sich nach kurzem Zögern etwas zurück. »Was tun die, verdammt noch mal?«, schrie Ryan außer sich. Er wollte losrennen, Alex mit bloßen Händen von diesem Ungeheuer befreien, aber sein Begleiter hielt ihn zurück.
    »Es ist gleich vorbei«, zischte er hastig, ohne ihn loszulassen.
    Ein scharfer Knall, anders als die Schüsse aus den Pistolen, beantwortete Ryans unausgesprochene Frage. Der Kopf der Schlange explodierte. Die Wucht des Aufpralls schleuderte ihren Körper über den Rand der Plattform hinaus ins Leere. Die Zeit blieb stehen. Fassungslos schaute Ryan zu, wie die fallende tote Schlange Alex mit sich in den Abgrund riss. Ihr Schrei verstummte abrupt. Totenstille kehrte ein für einen entsetzlichen Augenblick, in dem sein Herz zu schlagen aufhörte, der Verstand aussetzte und die Sonne unterging. Zwei Männer des CIA-Teams nahmen ihn in die Mitte, schleppten ihn und den Koffer zu einer Stelle, wo ein verborgener Abstieg den Berg hinunter führte. Seine Knie gaben bei jedem zweiten Schritt nach. »Alex«, krächzte er immer wieder voller Verzweiflung. Er zitterte am ganzen Leib, sah kaum mehr aus seinen blutunterlaufenen, nassen Augen. Nur die eisernen Griffe der Männer hielten seinen Geist wach. Als steckten Wattebäusche in seinen Ohren, vernahm er aufgeregte Rufe. Die Männer beschleunigten den Abstieg über die steile, enge

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