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Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
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mit dem Modell? Wir brauchen endlich diese Software, hat dein Ryan das verstanden?«
    Statt zu antworten stellte sie eine rhetorische Frage: »Hast du meinen Bericht gelesen?«
    »Was soll das?«, brauste er auf. »Lass die Spielchen. Natürlich weiß ich, was du geschrieben hast.«
    »Dann weißt du auch, wie schwierig es sein dürfte, unsere Daten mit der Software zu verarbeiten, ohne seine aktive Mitarbeit.«
    Er erinnerte sich daran, und sie hatte es ihm mehr als einmal gesagt. Trotzdem verstand er es immer noch nicht. In Fort Meade arbeitete so ungefähr jeder geniale Hacker, der nicht im Gefängnis saß. All diese Superhirne sollten nicht fähig sein, das Programm des Engländers zu begreifen? »Das ist doch albern«, fauchte er.
    »Wie du meinst. Ich sehe jedenfalls nur die Möglichkeit, ihn hierher zu holen. Das heißt, wir müssen ihn einweihen.«
    »Vergiss es.«
    »Wie du meinst«, wiederholte sie.
    Sie hörte sich nicht überzeugt an, wie jedes Mal, wenn sie darüber stritten. Allmählich zweifelte er selbst an seiner sturen Haltung, doch vor dem Sicherheitsrisiko, einen Fremden in die innerste Zone der NSA einzuschleusen, graute ihm zu sehr.
    »Bob, bist du noch dran?«
    »Ja, das war alles.«
    »Mist.«
    »Wie bitte?«
    »Entschuldige, aber hier scheint gerade der Krieg auszubrechen.«
    Er horchte auf. »Wovon sprichst du?«
    »Nicht zu glauben«, murmelte sie. »Hier fahren Panzer auf.«
    »Was, wo?«
    »Auf dem Baltimore Beltway bei Marys Chapel. Die ganze Straße ist mit Armeefahrzeugen verstopft. Und hörst du das Knattern der Hubschrauber? Das ist nicht die Verkehrsüberwachung. So etwas kenne ich nur aus Hollywood. Bob, was zum Teufel ist hier los?«
    Es musste nichts zu bedeuten haben, aber er hatte plötzlich ein ganz übles Gefühl im Magen. »Marys Chapel, sagst du?«
    »Ja, sie bewegen sich auf Cockeysville zu, wie es aussieht.«
    Cockeysville, Maryland. Natürlich, der Name stand auf seiner Liste. »Diese Idioten!«, stöhnte er laut. »Cockeysville ist der Sitz der ›Space and Defense Division‹ von Saft America Inc. Die produzieren Lithium-Komponenten für die Raumfahrt und die Army, verstehst du?«
    »Deine Sitzung!«
    »Du sagst es«, schnaubte er wütend. Schnell waren sie, und genau so etwas hatte er befürchtet.
    »Unser unbekannter Gegner ist auf jeden Fall gewarnt.«
    »Gut kombiniert, Alex. So eine verfluchte Scheiße.«
     
    Fort Meade, Maryland
     
    Ihre Stimme klang nicht besser als der Rasenmäher des Nachbarn im Leerlauf am frühen Samstagmorgen. Der Rachen fühlte sich rau an wie die Fasertapete in ihrem alten Kinderzimmer, und die Stirn glühte. Alex verwünschte die Stunde, als sie Bob von Ryans neuster Entdeckung berichtet hatte. Warum konnte sie nicht einfach schweigen? Diese Lithium-Blase platzte mit oder ohne Großaufgebot der Armee und Geheimdienste. Warum musste sie ausgerechnet in der Nähe einer strategisch wichtigen Fabrik wohnen? Und warum zum Teufel klemmte das Verdeck ihres Wagens genau dann, wenn sie im Stau hinter einem Truppentransporter steckte und es in Strömen zu regnen begann? Die Jungs auf dem Laster hatten wenigstens ihren Spaß daran. Die Stunde in nassen Kleidern auf nassen Sitzen reichte für eine heftige Erkältung, und das mitten im Sommer. Es war ein schlimmer Abend, eine noch scheußlichere Nacht und als sie nun wieder den Korridor von Bobs Abteilung betrat, wünschte sie sich irgendwo hin, nur nicht in ihr Büro.
    »Schicke Frisur«, grinste Minimax im Vorbeigehen und duckte sich sogleich, als ihn ihre kranke Bassstimme wie ein Faustschlag traf.
    Weder sie noch ihr Kollege verstanden, was sie antwortete, und das war gut so. Ohne sich umzublicken, schlüpfte sie in ihr Büro und schlug die Tür zu. Sie goss sich ein Glas abgestandenes Wasser ein, trank es in einem Zug, setzte sich vor den Berg Akten und Zeitungen und wartete. Wartete auf die Rückkehr ihrer Lebensgeister, auf einen winzigen Anflug von Arbeitslust. Vergeblich, die Abneigung gegen ihr Büro mit dem sagenhaften ›f2b‹ 20 wuchs von Minute zu Minute. Es kostete sie einige Anstrengung, sich zu erinnern, weshalb sie an diesem Morgen halbtot hierher gefahren war. Als die Welt noch in Ordnung war gestern Abend hatte sie Bob versprochen, Ryan anzurufen. Nur deshalb saß sie jetzt mit heißem Kopf und ohne Stimme an ihrem Schreibtisch.
    Der Brite begrüßte sie in hörbar aufgeräumter Stimmung: »Gratuliere, nun hat sogar das ›Journal‹ die Lithium-Blase entdeckt.«
    Sie versuchte

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