Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
Vom Netzwerk:
Portugal war die eindeutige Antwort. Die Stadt an der Algarve lag 300 Kilometer südlich von Lissabon an der Atlantikküste. Sie fand den Strand sofort, der sich Praia da Rocha nannte, Felsenstrand. Eine offenbar beliebte Feriendestination mit Dutzenden von Hotels, abgesehen von ebenso vielen kleinen Familienpensionen und ein paar Campingplätzen. Bis sie Ryan und seine Flamme in diesem Labyrinth fände, könnte die Woche vorbei sein. Sie wusste, wo er sich aufhielt und hatte doch kaum eine Chance, ihn zu finden. Missmutig bezog sie ihr Zimmer in einem Hotel, wo sie nie absteigen wollte. Einmal mehr wählte sie Ryans Handynummer und sprach ihren Standardsatz auf den Anrufbeantworter. Was bildete sich der Mann ein, sie hier hängen zu lassen? Nicht einmal seine Mailbox schien er abzuhören, oder er ignorierte sie boshaft. Von Minute zu Minute wuchs ihr Ärger über sein Verhalten, ihre eigene Ohnmacht, diese seltsame Stadt im Südwesten Englands, in der sie gestrandet war. Mit schmerzenden Gliedern und Kopfschmerzen fiel sie aufs Bett. Sie war zu müde, um weiter nachzudenken und schlief ein.
    Erst am Abend erwachte sie. Ihr Gehirn funktionierte wieder. Während sie sich auszog, um zu duschen, rief sie über eine verschlüsselte Verbindung in Fort Meade an. Minimax war ihre einzige Chance.
    »Max, du bist meine letzte Rettung«, sagte sie zur Begrüßung.
    »Erzähl mir etwas Neues. Was hast du diesmal angestellt?«
    »Ich brauche ein Tracking.« Sie gab ihm Ryans Telefonnummer. »Ich muss wissen, wo genau er sich aufhält. Er hat sein Handy die meiste Zeit ausgeschaltet, aber wir müssen es versuchen. Irgendwann wird er hoffentlich seine verdammte Mailbox abhören.«
    »Hört sich nach großer Sehnsucht an«, lachte er.
    »Mach keine blöden Witze. Kannst du das für mich erledigen?«
    »Bin schon dabei.«
    Manchmal war ›Echelon‹, das gigantische Horchsystem, mit dem die NSA die mobile Kommunikation weltweit abhörte, doch ganz nützlich. Die elektronischen Ohren deckten Europa praktisch lückenlos ab. Sobald Ryan sein Telefon einschaltete, würde Max ihn lokalisieren. Beruhigt schlurfte sie ins Badezimmer.
    Gegen Mitternacht erlöste sie der charakteristische Summton der Verbindung aus Fort Meade von der öden Talkshow auf der Bildröhre des antiken Fernsehers.
    »Er ist nahe beim Fort Santa Catarina «, sagte Max, ohne sich mit der Begrüßung aufzuhalten. Dann senkte er plötzlich die Stimme zu einem kaum hörbaren Flüstern. »Der Chef, ich muss Schluss machen. Kommst du klar?«
    Sie hatte die Satellitenkarte mit dem Fort schon auf ihrem Handy-Bildschirm. »Sehr gut«, murmelte sie erfreut. »Danke, Max.« Die lokalisierte Funkzelle schränkte die Auswahl erheblich ein, falls sich die beiden Turteltauben in einem Hotel aufhielten. Sie begann direkt beim Fort, rief das gleichnamige Hotel an. Negativ. Das ›Oriental‹ war das nächste Hotel in der Nähe. Sie meldete sich unter einem Fantasienamen und verlangte Mr. Ryan Cole zu sprechen. Für kurze Zeit hörte sie die üblichen Hintergrundgeräusche einer Lobby, unterlegt mit leiser Barmusik. Dann sagte der Mann an der Rezeption:
    »Augenblick, ich verbinde.«
    Die Antwort trieb einen wohligen Schauer über ihren Rücken, als stünde sie noch unter der warmen Dusche. Triumphierend legte sie auf. Du entkommst mir nicht, dachte sie lächelnd.  
    Algarve, Portugal
    Der feine, samtweiche Sandstrand war noch fast leer, als Ryan zur luxuriösen Hütte des Surfshops schlenderte. So früh am Morgen schliefen die meisten Gäste ihren Rausch aus, oder gestresste Eltern versuchten, ihren Kindern am Frühstücksbüfett Manieren beizubringen. Im Wasser war noch niemand. Die beste Zeit des Tages, mit idealem Westwind, der heute besonders steif vom Atlantik her wehte und schöne, lange Wellenkämme bildete. Er war leise aus dem Zimmer geschlichen, als Jessie noch schlief, um einmal den Strand mit seinen spektakulären Steilküsten hinter der sandigen Bucht für sich zu haben. Sie würde es verstehen. Ihre Verstimmung war schon am Samstagmorgen auf dem Weg zum Flughafen wie weggeblasen. Zweieinhalb unbeschwerte Tage, von den Nächten gar nicht zu reden. Ein vielversprechender Auftakt ihres Aufenthalts an diesen Klippen, die entfernt an die roten Felsen der Jurassic Coast bei Sidmouth erinnerten. In einem Hotel, das aussah wie ein frisch geschlüpftes maurisches Städtchen und das sie sich eigentlich gar nicht leisten konnten.
    Das Miet-Board war mit seinem breiten Schwert

Weitere Kostenlose Bücher