Im Westen geht die Sonne unter
Supercomputer lief. Begeistert klopfte sie Max auf die Schulter. »Genial«, lobte sie in ehrlicher Bewunderung. »Ihr Typen seid einfach genial.«
»Wären wir sonst hier?«
»Auch wieder wahr«, lachte sie.
Mit einem Seitenblick zu den Spezialistinnen für die Datenschnittstellen bemerkte Max: »Wie es aussieht, sind wir bereit. Fehlen nur noch die Daten für den scharfen Lauf.«
»So klein und schon so eine große Klappe«, gab eine der Frauen giftig zurück.
»Schon gut, kein Stress, Leute«, beschwichtigte Alex. »Wir sind schon weiter als geplant. Wie sieht’s aus, kommt ihr klar ohne Ryan?«
Max nickte. »Sicher, wir lassen die restlichen Tests durch und die Ladies sind auch noch eine Weile beschäftigt, wie man sieht.« Grinsend duckte er sich, um dem fliegenden Softball aus der Schnittstellen-Abteilung auszuweichen.
Kindergarten, dachte Alex, als sie kopfschüttelnd in ihr Büro zurückging. Für sie war der Tag gelaufen. Das Projekt hätte nicht besser starten können. Ihr Team produzierte auf Hochtouren und das Wichtigste: Ryan war in Fort Meade. Was wollte sie mehr? Dass die Frage nicht ganz so rhetorisch war, wie sie gedacht hatte, merkte sie zwei Stunden später auf dem Heimweg. Das erste Mal, seit sie hier arbeitete, verpasste sie die Abzweigung zum Baltimore-Washington Parkway und fuhr weiter auf der Straße zu Ryans Hotel. Noch zu Hause im Bett errötete sie beim Gedanken an die Freud’sche Fehlleistung. Sie lag lange reglos auf dem Rücken, versuchte an nichts zu denken, sich zu entspannen. Um wenigstens äußerlich abzukühlen, schlug sie die Decke zurück. Alle Tricks halfen nichts.
Als sie um Mitternacht immer noch nicht schlief, blieb nur noch ein Ausweg. Mit geschlossenen Augen tastete sie in der Nachttisch-Schublade nach dem silbernen Helfer. Sie wärmte das Gerät in ihren Händen, dann schaltete sie es ein. Während es leise zwischen ihren Schenkeln summte, kehrten ihre Gedanken zum Hotel zurück, in dem Ryan nichts ahnend schlummerte. Endlich begann die Spannung von ihr abzufallen. Nicht einmal das Sicherheits-Handbuch für NSA Angestellte verbot solche schönen Gedankenspiele, glaubte sie wenigstens.
Ryan hatte sich auch nach einer Woche noch nicht an die sturen Sicherheits-Checks gewöhnt, die er täglich zweimal über sich ergehen lassen musste. Die Schikanen forderten seinen Intellekt geradezu heraus, Lücken zu finden, doch bisher blieb seine Suche erfolglos. Er arbeitete in einem hypermodernen Gefängnis, damit fand er sich allmählich ab. Vielleicht wäre er längst wieder abgereist, hätten ihn nicht die fantastische Infrastruktur, das gute Team und die vielen kleinen Fortschritte des Projekts magisch an diesen schwarzen Betonklotz gefesselt. Und natürlich Alex. Vor allem Alex, dachte er mit einem bitteren Lächeln. Allein durch die fruchtbare Zusammenarbeit hatte sich zwischen ihnen eine schon fast unanständige Intimität entwickelt, ohne dass sie sich je zu nahe gekommen wären. Die Frau strahlte eine ungeheure Präsenz aus, die seinen trüben Gedanken an die Krise mit Jessie keinen Raum ließ. Manchmal fühlte er sich komplett entwurzelt, fragte sich ernsthaft, in welche Welt er eigentlich gehörte.
Alex’ Stimme holte ihn abrupt aus seinem Tagtraum: »Du willst also ernsthaft die neue Gold-Rallye auch noch untersuchen?«
»Auf jeden Fall. Erstens kostet es uns nicht viel Zusatzaufwand und zweitens sagt mir mein Bauchgefühl, dass die aktuelle Entwicklung auf dem Gold- und Devisenmarkt eine viel größere Sache ist als die alte Mountain Pass Geschichte.«
»Dein Bauchgefühl. Großartig. Bob wird begeistert sein.«
»Schreibt er dir eigentlich auch vor, wann du zum Friseur musst?«
Amüsiert beobachtete er, wie ihre Hände sofort an den Kopf fuhren. »Wieso, stimmt etwas nicht mit meinem Haar?«, fragte sie erschrocken.
»War ironisch gemeint«, beruhigte er lachend.
»Sehr witzig.«
Sie schmollte, schien sich echte Sorgen zu machen, doch er wollte sich die Gelegenheit auf keinen Fall entgehen lassen, die neue Marktsituation auf dem unsagbar flinken Großrechner durchzuspielen. ›Darwin‹ verarbeitete sein Modell zwar nicht 1'450 Mal schneller als die Kiste in Bristol, aber statt sechs Stunden brauchte er immerhin bloß zehn bis fünfzehn Minuten. Auf diese Weise konnte er an einem Tag zwanzig verschiedene Szenarien durchrechnen, nicht nur ein Einziges wie früher.
»Bob braucht es nicht zu erfahren«, meinte er. »Wenn er fragt, sind das ganz normale
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