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Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
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Kalibrierungsläufe.«
    »Er ist nicht dumm.«
    »Schon klar, aber vertrau mir, da ist wieder eine ganz große Sache am kochen.«
    Sie blieb skeptisch, zuckte aber nur die Achseln und schwieg.
    Ryan vertiefte sich in die Auswertungen der Paralleltests. Das Schnittstellen-Team hatte seine Vorgaben umgesetzt. Das SWIFT-Modul war in eine neue Version seines Modells integriert. Bevor sie den Datenstrom mit den Interbank-Zahlungen zuschalteten, ließen sie die ursprüngliche und die neue Programmversion parallel die gleichen Daten verarbeiten. Dadurch stellten sie sicher, dass auch das erweiterte Modell richtig funktionierte. Die Logfiles und Resultat-Tabellen stimmten überein. Das neue Modell arbeitete ebenso einwandfrei wie das alte.
    »Sieht gut aus«, sagte er und erhob sich. »Wir können loslassen.«
    Der alles entscheidende Augenblick war gekommen. Nach Tagen und Nächten harter Arbeit mussten sie nur noch die SWIFT-Schnittstelle einschalten und warten, was sein Modell zu den neuen Daten sagte. Als sie in der Fabrik erschienen, um den lange erwarteten ersten SWIFT-Lauf zu starten, war das Lächeln wieder auf Alex’ besorgtes Gesicht zurückgekehrt. Das ganze Team wartete gespannt auf ihr offizielles ›Go‹.
    »Für George«, sagte sie und nickte Ryan zu.
    Der unglückliche George war inzwischen zum allseits bekannten Märtyrer geworden, der wie nichts anderes die Mountain Pass Katastrophe symbolisierte. Noch nie war jemand seinen Mördern so nahe auf den Fersen gewesen wie sie jetzt. Das Pathos und die überdrehte Personifizierung des Attentats war Ryan fremd. Sein Herz pochte dennoch schneller, als er den START-Knopf drückte. Er rechnete damit, dass diese erweiterte Verarbeitung mindestens zwanzig bis dreißig Minuten dauern würde. Alle wussten es, doch niemand dachte daran, die Wartezeit woanders als vor den Bildschirmen zu verbringen. Er versuchte gar nicht erst, die Informationen zu lesen, die wie gewohnt viel zu schnell über das Kontrollfenster sausten. Solange keine roten Meldungen erschienen, war alles in Ordnung. Mäuschenstill verfolgten sie das nahezu unsichtbare Treiben des Supercomputers, dessen unzählige Prozessoren die Instruktionen seines Programms in einem höllischen Tempo ausführten. Tief im Keller versteckt, eingebettet in Kühlaggregate, die ein ganzes Stockwerk füllten, umgeben von einer Farm ultraschneller Speichermedien.
    Nach zweiundzwanzig Minuten und sechzehn Sekunden stoppten die Nachrichten auf dem Bildschirm. Die ersehnte Schlussmeldung bestätigte: Null Fehler.
    »Der Scheiß hat tatsächlich funktioniert«, rief Max begeistert. Es war seine Art, Freude zu bekunden.
    »Der Scheiß funktioniert sogar ausgezeichnet«, stimmte Ryan zu.
    Sofort nach der Schlussmeldung hatte er das grafische Auswertungsprogramm aufgerufen. Er zeigte breit grinsend auf das Übersichtsbild. Seine Gerüchteküche hatte sich leicht verändert. Ein Schwarm grüner Dreiecke jeder Größe überlagerte das bekannte Bild der Zonen verdächtiger Marktbewegungen. Die neue Dimension der SWIFT-Zahlungsströme. Er wählte den kleinen Bereich der Seltenen Erden aus, dessen Analyse die Aufmerksamkeit der NSA zuerst erregt hatte. Auf dem Detailbild erkannten alle sofort die Serie wachsender grüner Dreiecke, die sich um den Zeitpunkt der Bergwerks-Katastrophe gruppiert hatten. Sie bildeten eine schnurgerade Linie. Ryan erkannte die Bedeutung sofort.
    »Alle vom gleichen Bankenplatz, vielleicht von der gleichen Bank«, murmelte er erregt.
    Alex schüttelte ungläubig den Kopf. »Willst du damit sagen, dass eine einzige Bank vom Attentat profitiert hat?«
    Statt zu antworten fuhr er mit dem Mauszeiger über die Reihe der Dreiecke. Jedes Mal wenn er eines berührte, erschien ein Text, der SWIFT ›Bank Identifier Code‹, kurz ›BIC‹, des Absenders der Zahlungsanweisungen. »Praktisch immer derselbe Absender, wie ich vermutete«, bestätigte er schließlich, was alle lesen konnten.
    »Wer sind die Bastards?«, wollte Max wütend wissen.
    Immer noch misstrauisch antwortete Alex: »Der Bank-Code in den ersten vier Stellen sagt mir nichts, aber der Ländercode in den nächsten zwei Stellen ist bekannt: ›CH‹. Steht für die kleine Schweiz.«
    »Bastards!«
    Es wurde unruhig in der Fabrik. Bevor die Leute weiter falsche Schlüsse zogen, musste Ryan sie aufklären: »Hört mal zu. Was wir hier sehen, ist die Zuordnung der SWIFT Meldungstypen MT202 und MT103 zur Preisentwicklung von Neodym. Und wir wissen, dass die

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