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Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
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anzapfen. Wir reden hier von der Volksrepublik China. Ich sage es nicht gerne, aber du weißt genauso gut wie ich, dass wir dort nicht gerade glänzend vertreten sind.«
    Er nickte grimmig. »Wir kriegen sie, mit welchen Mitteln auch immer. Ich will wissen was diese Scheißkerle im Schilde führen. Und ich will endlich die verdammte Akte Mountain Pass schließen.«
    »Was ich eigentlich sagen wollte: ›sigint‹ hilft uns in diesem Fall nicht schnell genug weiter. Wir brauchen Leute vor Ort.«
    »Nichts wie los. Stell dir ein Team zusammen.«
    Ein Team war nicht die Lösung, die ihr vorschwebte. Erstens war die human intelligence, die Informationsbeschaffung mit menschlichen Augen und Ohren, in einem Land wie China eine äußerst heikle Angelegenheit. Es brauchte vorsichtige, unauffällige Einzelgänger. Zweitens mussten die Spezialisten Sprache und Kultur der Gegend beherrschen. Ihr fiel beim besten Willen nur eine Person ein, die beide Bedingungen erfüllte. Sie war nicht umsonst die Chinesin dieser Abteilung. »Tut mir leid«, entgegnete sie entschieden. »Kein Team. Ich gehe allein. Oder kennst du jemanden, der besser Chinesisch spricht?«
     
    Hsinchu County, Taiwan
     
    Danny Chen trank gierig aus seiner Wasserflasche. Die Luft war dünn und trocken auf fast zweitausend Metern über Meer. Schweißnass saß er auf der zerfallenen Mauer einer alten japanischen Festungsanlage aus unseligen Zeiten. Es war kühl hier oben. Er begann zu frösteln. Aber er blieb stolz und zufrieden sitzen. Er schaffte es also immer noch. Nach fast einem Jahr ohne nennenswertes Training hatte er sich am frühen Morgen wieder einmal auf den Sattel seines Mountainbikes geschwungen und den beschwerlichen Aufstieg von Hengshan in die Berge des Hsinchu County gewagt. Möglich, dass er etwas heftiger keuchte als früher, aber jetzt war er auf der Passhöhe und hätte jeden umarmen können, der ihm begegnete, falls einer sich auf diesen stillen Berg verirrte. Er fühlte sich trotz der schmerzenden Muskeln leicht wie ein Vogel. Sein Glück war vollendet. Zweifellos half das neue, große Aquarium, das er seinen acht Goldfischen geschenkt hatte. Sie fühlten sich offensichtlich wohl in ihrem prächtigen Zuhause und dankten es ihm mit einer Glückssträhne. Der letzte Besuch in den Kasinos von Macao war so erfolgreich wie keiner zuvor, die anspruchsvolle, jahrelange Entwicklungsarbeit in der Chip-Fabrik zur Zufriedenheit aller abgeschlossen und er immer noch der König der Berge auf seinen zwei Rädern. Inzwischen störte ihn nicht einmal mehr der sonderbare Mister Li mit seinen zwei Freaks. Was wollte er mehr?
    Er machte ein paar Lockerungsübungen, um die Muskeln zu entspannen und sich aufzuwärmen, dann stieg er wieder auf. Ein steiler Pfad mit gefährlich rutschigen Spitzkehren lag vor ihm. Er kannte den Weg. Trotzdem begann er die Abfahrt eher verhalten. Bald jedoch steigerte er das Tempo, übersprang die Bächlein wie gewohnt, bremste nur noch, um elegant in die Kurven zu gleiten. Er hielt nicht inne, als er die Talsohle erreichte. Eine unbändige Kraft durchströmte seinen Körper, trieb ihn ohne Pause den nächsten und letzten steilen Berghang hinauf. Erst zwei Stunden später kam er allmählich zur Ruhe. Ohne Anstrengung rollte er durch den Bambushain am Fluss zurück in die Stadt.
    Er lud das Fahrrad in seinen Wagen, zog trockene Kleider an und fuhr wie jedes Mal, wenn er in der Gegend war, das Tal hinauf nach Süden zu den heißen Quellen von Qingquan. Das ausgedehnte Bad im geruchlosen, kristallklaren Wasser, das wie durch ein Wunder nach dem großen Erdbeben wieder dampfend aus dem Berg sprudelte, gehörte zum sportlichen Ritual. Es reinigte Geist und Körper, befreite die Seele von altem Ballast, bereitete seinen Verstand auf neue, noch unbekannte Aufgaben vor. Was immer es war, was ihm sein väterlicher Produktionsleiter am Samstagabend in der Fabrik noch sagen wollte, er freute sich darauf. Auf der Fahrt zurück nach Hsinchu machte er sich keine Gedanken darüber. Er genoss einfach den schönen Sommerabend als neuer Mensch.
    Er traf den alten Eric Yang einsam in seinem Büro. Er saß zusammengesunken am Schreibtisch und starrte mit seltsam grauem Gesicht ins Leere.
    »Eric, was ist los?«, fragte er erschrocken. »Deine Frau?«
    Obwohl der Produktionsleiter kaum je über sein Privatleben sprach, wusste Danny, dass Erics Frau seit langem schwer krank im Pflegeheim lag. Der alte Mann arbeitete nur deshalb immer noch über hundert

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