Im wilden Meer der Leidenschaft
sie leise.
Als er die Augen öffnete, sah er, dass sie nicht nur ihre Kleider wieder übergezogen hatte, sondern dass auch ihre Maske wieder an ihrem Platz war. Sie hatte ihm nur einen kurzen Einblick in ihr wahres Ich gewährt.
Sie drehte sich um und öffnete die Tür. „Ich gehe neuen Verbandsstoff holen“, sagte sie. „Du solltest dich ausruhen.“
Und dann war sie verschwunden. Fast hätte er geglaubt, sie sei ein Traum, wenn ihr zarter, sich verflüchtigender Duft nicht noch in der Luft gehangen hätte.
Balthazar fiel zurück aufs Bett und merkte kaum, wie das Blut durch seinen Verband sickerte. Bald würde er diese Stadt verlassen und zurück nach Hause segeln oder zumindest dorthin, wo er sich ein neues Zuhause geschaffen hatte. Und sie würde hier in Santo Domingo zurückbleiben. Als seine Feindin.
Schon einmal hatte er sie verlassen. Würde er sie von Neuem zurücklassen können?
Doch er wusste, dass er keine andere Wahl hatte. Trotz der unwiderstehlichen Anziehung, die zwischen ihnen bestand, wusste er, dass sie Geheimnisse vor ihm verbarg, genau wie er vor ihr. Selbst wenn er sie darum bäte, würde sie nicht mit ihm kommen. Die Vergangenheit war noch zu gegenwärtig. Und auch ihre Leidenschaft konnte sie nicht auslöschen. Die Wasser aller Weltmeere konnten sie nicht fortspülen.
Aber so betörend war ihr Duft, der noch immer in der Luft hing …
7. KAPITEL
Bianca lehnte sich gegen die groben Holzplanken der Tür und drückte eine Hand auf ihr wild pochendes Herz. Am liebsten wäre sie weit weggelaufen, gerannt, bis sie zum Meeresufer kam. Gerannt, bis ihre Lungen schmerzten und ihre Beine brannten – bis sie die Erinnerung an Balthazars Gesicht aus ihrem Kopf verbannen konnte.
Sie schüttelte den Kopf und schloss die Augen, um ihre aus den Fugen geratene Welt nicht mehr sehen zu müssen. Sie war vor den Grattianos geflohen, als sie jung und verängstigt gewesen war und noch keine Ahnung vom wirklichen Leben gehabt hatte. Schließlich war sie weit weg von ihrem Zuhause auf dieser Insel jenseits des Meeres gestrandet. Noch einmal würde sie nicht fliehen.
Sie musste sich Balthazar und auch sich selbst stellen.
Bianca rannte die Treppe hinunter. Ja, das würde sie tun. Aber nicht gleich. Nicht solange sie noch seinen Geschmack auf ihren Lippen und seine heißen Hände auf ihrem Körper spürte. Sie würde warten, bis sich ihre Gefühle abgekühlt hatten und bis sie wieder klar an die Geschehnisse in Venedig denken konnte.
Das zerbrochene Mobiliar im Schankraum war weggeräumt worden, und Delores kehrte die Splitter und Scherben zusammen. Die Fensterläden waren geöffnet, und der heiße Nachmittagswind trug den Lärm und die Rufe vom Handelsplatz zu ihnen herüber.
„Wir werden heute Abend wohl wieder viel zu tun haben, Delores“, sagte Bianca und griff nach einem Eimer voll Wasser, der neben der Tür stand. Energisch begann sie, einen verschrammten, verklebten Tisch abzuschrubben und stellte sich dabei vor, Balthazars Gesicht befände sich unter ihrem Lappen. Sie würde ihm sein charmantes Lächeln, das einen zum Wahnsinn treiben konnte, aus dem Gesicht wischen – und diese unerträglich aufreizenden Grübchen gleich mit!
„Haben wir genug Bier, Señora?“, fragte Delores.
„Ich habe auf dem Markt Señor Garcia getroffen, und er hat versprochen, noch vor heute Abend ein Fass zu liefern.“ Sie sprachen weiter über die alltäglichen Geschäfte und Besorgungen, bei denen es Bianca nicht schwerfiel, Entscheidungen zu treffen und klar zu denken. Im Gegensatz zum Thema Männer. Da verließ sie momentan ihr Verstand.
Wenn sie sich doch nur mit Balthazar wie mit einem Rechnungsbuch oder einer Lieferung Bier befassen könnte …
Bald hatten sie den Wirtsraum wieder in Ordnung gebracht, der Boden war sauber gewischt und die Bänke und Tische so gestellt, dass die Lücken nicht auffielen. Während Bianca die Taverne begutachtete, schüttete Delores das schmutzige Wasser aus dem Fenster.
„Und was passiert mit dem Kapitän?“, fragte sie.
Bianca runzelte die Stirn, denn sie war sich sicher, einen anzüglichen Ton in der Stimme ihrer Magd gehört zu haben. „Wovon redest du, Delores?“
„Wird er noch länger bleiben? Er scheint sich hier recht wohlzufühlen.“
„Er kann wohl spätestens morgen wieder aufstehen“, entgegnete Bianca und zuckte gleichgültig mit den Schultern, obwohl sie weit davon entfernt war, diese Gleichgültigkeit tatsächlich zu verspüren. „Sein
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