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Im Winter der Löwen

Titel: Im Winter der Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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getäuscht.«
    Joentaa nickte.
    »Und wie ich mich getäuscht habe«, sagte sie und lächelte kurz. Das Baby weinte. Leena begann zu stillen, und Kimmo Joentaa dachte an den Laukkanen, den er gekannt hatte, an den effektiven Laukkanen, der schnell und zielgenau gesprochen hatte und keine Zeit gehabt zu haben schien, etwas anderem ins Auge zu sehen als dem Tod. Dann allerdings, während der Obduktionen, hatte er eine Ruhe, eine Gelassenheit ausgestrahlt, die Joentaa fast Angst gemacht hatte.
    Als er ging, war das Baby eingeschlafen, und Leena stand im Türrahmen und sah ihm nach. Die Welt hinter der Windschutzscheibe war sonnig und weiß und das Treffen im Besprechungsraum von Beginn an geprägt von Sundströms Prinzip größtmöglicher Effektivität und Klarheit, das im Widerspruch stand zu der Tatsache, dass es nicht den Ansatz einer Erklärung für Patrik Laukkanens Tod gab. Anwesend waren zwölf Ermittler und acht Streifenpolizisten, die zunächst für die Frühphase hinzugezogen worden waren.
    Als Joentaa im Rahmen seiner Ausführungen erwähnte, dass Patrik Laukkanen Tänzer gewesen sei, lachten die meisten der Anwesenden. Als er, in der Hoffnung, das Lachen zu unterbinden, darauf hinwies, dass er die finnischen Meisterschaften gewonnen habe, wurde Heiterkeit daraus, die abrupt abebbte, als den Anwesenden bewusst wurde, dass sie über einen Kollegen lachten, der nicht mehr lebte.
    Gegen halb vier schlug Sundström eine Pause vor, und Heinonen, der neben Joentaa saß, stürzte aus dem Raum, als ob er nur auf diesen Moment gewartet habe.
    »Alles klar?«, fragte Joentaa, als Heinonen zurückkehrte.
    »Ja, ja. Die sind zwei Stunden früher dran, aber es geht bald los.«
    Joentaa sah ihn fragend an.
    »Die Spiele. Der Boxing-Day. Es geht bald los«, sagte Heinonen und sah nochmal auf die Uhr. Joentaa folgte seinem Blick. 13.37 Uhr. Tuomas Heinonen hatte seine Uhr zurückgestellt auf die britische Ortszeit.
    »Wünsch mir Glück«, flüsterte er, als sie in den Besprechungsraum zurückgingen. Sein Blick wirkte abwesend und auf einen fernen Punkt fokussiert, ähnlich wie der von Leena Jauhiainen am Vormittag in dem orangen Haus.
    »Auf wen hast du eigentlich gesetzt?«, fragte Joentaa.
    Heinonen blätterte ziellos in seinen Unterlagen und schien ihn nicht gehört zu haben.
    »Tuomas …?«
    »Was? Entschuldige …«
    »Auf wen hast du denn gesetzt? Ich kann dir ja nur Glück wünschen, wenn ich weiß, wem ich die Daumen halten muss …«
    »Manchester United. Auswärtssieg«, sagte Heinonen.
    Joentaa nickte, und Heinonen starrte ihn an. »Wünsch mir Glück«, sagte er noch einmal, und Joentaa spürte den Impuls, Heinonen die Frage zu stellen, die ihn eigentlich beschäftigte – wie viel er auf dieses Spiel gewettet hatte.
    Sundström räusperte sich und bat Kari Niemi, die bisherigen Ergebnisse der Spurensicherung vorzulegen. Zum ersten Mal an diesem Tag war Zuversicht und eine gewisse Aufbruchstimmung zu spüren, als Niemi mitteilte, dass die Anzahl sichergestellter Spuren überraschend sei.
    »Wir haben so ziemlich alles gefunden, was zu finden ist. Fremde Faserspuren an der Kleidung des … an Patriks Kleidung. Die Kinder, die Patrik gefunden haben, haben den Tatort kontaminiert, aber dennoch lässt das, was wir bislang auswerten konnten, darauf schließen, dass Patrik nicht, wie zunächst angenommen, von hinten, sondern von vorne attackiert worden ist. Frontal. Und es scheint, als habe er bis zum letzten Moment nicht versucht, auszuweichen.«
    Kari Niemi sah auf seine Aufzeichnungen hinab, und in die gespannte Stille hinein fragte Paavo Sundström: »Bist du sicher?«
    »Eine solche Rekonstruktion ist immer spekulativ, aber unsere Vermutung deckt sich mit Salomon Hietalahtis erster Analyse nach Begutachtung der Einstichwinkel. Und sicher ist, trotz der Kontamination, dass das Zentrum des Kampfes zwischen Täter und Opfer auf einen sehr engen Raum begrenzt war. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Patrik den Versuch gemacht hat, die Richtung zu wechseln. Demnach hat der Täter in ihm keinen frühzeitigen Fluchtimpuls ausgelöst.«
    Sundström nickte eine Weile. »Ich danke dir, das ist interessant«, sagte er schließlich.
    »So weit sind wir bis jetzt«, sagte Niemi. »Das Problem ist, dass wir das Substantielle an Spuren, die wir gesichert haben, erst verwerten können, sobald ein Abgleich mit Kleidern und Gegenständen eines Verdächtigen möglich ist. Vorerst nutzt es uns wenig. Und, wie gesagt, der Tatort

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