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Im Winter der Löwen

Titel: Im Winter der Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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seinen Gedanken nach. »Was sehen Sie?«, fragte er.
    »Was ich sehe?«, fragte Tuulikki.
    »Ja.«
    »Ich sehe Leute aus dem Publikum, die sich über Kai-Petteri schlapplachen. Oder über diesen Puppenheini … Mäkelä. Vermutlich über beide.«
    »Ja«, sagte Joentaa.
    Er betrachtete die aufrecht sitzende Frau in der Bildmitte. Ein eingefrorenes Lächeln auf einem eingefrorenen Bild.
    »Können Sie das bitte sehr langsam weiterlaufen lassen?«, sagte er.
    »Klar«, sagte Tuulikki.
    Das Bild bewegte sich fort, in einer sanften Zeitlupe. Joentaa fühlte einen Schmerz hinter den Augen, und Tuulikki sagte: »Die Frau da in der Mitte sieht allerdings weniger amüsiert aus.«
    Joentaa nickte.
    »Oh je«, sagte Tuulikki.
    In ihrem Rücken wurde die Tür geöffnet, aber weder Joentaa noch Tuulikki konnten den Blick vom Bildschirm abwenden.
    »Die sieht ja aus wie der lebende Tod«, sagte Tuulikki.
    »Ihr meint hoffentlich nicht mich«, sagte Tuula Palonen lachend.
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    Marko Westerberg nahm die bissigen Kommentare mit der ihm eigenen Gelassenheit zur Kenntnis. Die meisten schienen sich ohnehin eher zu belustigen über die Sicherheitsvorkehrungen, und zu diesen Belustigten zählte sich Westerberg im Übrigen auch selbst.
    Er hatte immer viel von Paavo Sundström gehalten, aber was jetzt mit dem Mann los war, entzog sich seinem Verständnis. Sundström hatte dafür gesorgt, dass im Einlassbereich eine Sicherheitszone aufgebaut worden war, die mehr an ein Flughafengate als an ein Fernsehstudio erinnerte.
    Die Besucher der Show, die langsam eintrudelten, darunter Prominente aller Güteklassen, runzelten mehrheitlich die Stirn und rangen sich dazu durch, das Ganze witzig zu finden, und seine Beamten gaben sich alle Mühe, mit dem nötigen Ernst ihren Dienst zu versehen, während ihnen aus allen Ecken Kameras entgegengehalten wurden, die das Prozedere gegen die ursprüngliche Vereinbarung aufnahmen. Vermutlich, um es in der großen Show dann breitzutreten und allen zu zeigen, wie wichtig ihr toller Hämäläinen doch war.
    Westerberg vergrub seine Hände in den Taschen seines extra für diesen Anlass reaktivierten Jacketts und sah eine Weile dabei zu, wie sich langsam, aber stetig die Sitzreihen füllten. Gleich hinter dem Flughafengate wurden Aperitifs und kleine Snacks gereicht, karelische Reiskuchen mit Eibutter.
    Sein Handy klingelte. Es war Sundström.
    »Alles klar bei euch?«, fragte er.
    »Ja. Abgesehen davon, dass die das Ganze hier aus allen Perspektiven aufnehmen«, sagte Westerberg.
    »Das war zu erwarten. Egal«, sagte Sundström. »Ist Hämäläinen schon da?«
    »Noch nicht. Kommt aber demnächst, meinen Informationen zufolge.«
    »Gut, ich bin jetzt auch auf dem Weg. Bis gleich.«
    »Bis gleich«, sagte Westerberg und ließ das Handy wieder in die Seitentasche gleiten.
    Eine der jungen, gut aussehenden Redakteurinnen, Margot Lind, wenn er sich richtig erinnerte, trat an ihn heran, mit glänzenden Augen.
    »Können wir Sie nicht doch überreden, ein kurzes Interview zu machen? Einfach, um … diesen besonderen Umständen gerecht zu werden.«
    »Bedaure«, sagte er. »Und denken Sie bitte daran, dass auch die Gesichter der Beamten, die hier gefilmt werden, nicht über den Sender gehen. Das ist klar vereinbart.«
    Sie nickte und wollte noch etwas sagen, aber dann wendete sie sich den Lichtblitzen zu, die jenseits der Scheiben die Dunkelheit erhellten.
    »Das wird Kai-Petteri sein«, sagte sie.
    Westerberg folgte ihrem Blick in die Eingangshalle. Hämäläinen trat durch die breiten Schwingtüren und ging, flankiert von den beiden Personenschützern, die für ihn abgestellt worden waren, zielstrebig zu den Aufzügen.
    Die drei stiegen ein, die Türen schlossen sich, und draußen zuckten noch einige Minuten lang die Blitze auf, bis sich herumgesprochen hatte, dass das Objekt, das es ins Bild zu setzen galt, nicht mehr da war.
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    »Störe … ich?«, fragte Tuula Palonen.
    Die beiden reagierten nicht. Tuulikki und der Polizist, Joentaa, starrten wortlos auf den Bildschirm, auf dem Tuula Palonen nichts allzu Erstaunliches erkennen konnte.
    Sie trat näher. Das Publikum. Die Aufnahmen der Handkamera. Lachende Menschen.
    »Was … Besonderes?«, fragte sie, und als weder Joentaa noch Tuulikki reagierten, fügte sie an: »Ich muss gleich wieder runter. Der Einlass hat schon begonnen. Und Kai-Petteri wird gleich da sein.«
    Joentaa schwieg. Tuulikki schwieg.
    »Sie haben mich gesucht?«, fragte Tuula Palonen.
    »Hat sich

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