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Im Winter der Löwen

Titel: Im Winter der Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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erledigt«, sagte Joentaa.
    »Wir haben keine Briefe erhalten, die Sie interessieren könnten«, sagte Tuula Palonen, nur um Joentaa zu veranlassen, endlich den Blick von dem Bildschirm zu nehmen und ihr zuzuwenden.
    »Was sagen Sie?«, fragte er.
    »Sie hatten mich doch gebeten zu erfragen, ob es Reaktionen auf die Sendung gab, Zuschriften, die Kai-Petteri oder die anderen Gesprächsteilnehmer attackiert hätten.«
    »Ja«, sagte Joentaa.
    »Es gab keine«, sagte Tuula Palonen.
    »Ja, danke«, sagte Joentaa. Er schien gar nicht zugehört zu haben.
    »Aber eines fiel mir ein, das vielleicht für Sie interessant sein könnte«, sagte sie.
    »Ja?«, fragte Joentaa.
    »Irgendwie waren doch die Todesarten von Bedeutung, richtig?«
    Joentaa sah sie endlich an.
    »Sie wollten doch wissen, ob es Zuschriften gab, die … die Todesarten thematisierten. Die Todesursachen der … Puppen.«
    Joentaa nickte.
    »Wir hatten, wie gesagt, keine Zuschriften dieser Art, aber es gab eine … Komplikation am Tag der Sendung, an die ich heute erst wieder gedacht habe.«
    »Ja?«, sagte Joentaa, jetzt aufmerksam.
    »Mäkelä hatte uns drei Puppen geliefert, wir hatten das abgesprochen und uns auf bestimmte Puppen geeinigt, um ein möglichst umfassendes Bild von der Arbeit eines solchen Leichenbauers zu gewinnen …«
    »Ja«, sagte Joentaa.
    »Das Problem war, dass Mäkelä eine Puppe lieferte, die wir nicht verwenden konnten. Ein Opfer eines Flugzeugabsturzes, wie vorgesehen, aber es war ein kleines Mädchen.«
    »Ja«, sagte Joentaa.
    »Wir konnten unmöglich ein kleines Mädchen in der Sendung ausstellen«, sagte Tuula Palonen. »Verstehen Sie?«
    »Noch nicht ganz«, sagte Joentaa.
    »Wir können doch kein totes Mädchen zur Schau stellen. Wir haben die Puppe zurückgelegt und Mäkelä gebeten, Ersatz beizuschaffen. Wir wollten drei Beispiele, aber nicht dieses kleine Mädchen. Es war dann etwas hektisch. Mäkelä lieferte uns einen Mann, und wir dachten, die Puppe sei ebenfalls das Opfer eines Flugzeugabsturzes. Tatsächlich war sie aber für einen Film angefertigt worden, der wohl den Einsturz der Eishalle in Turku nachstellt.«
    Joentaa nickte, aber er verstand nicht. Ihm war schwindlig. Ein Mädchen, Flugzeugabsturz.
    Ein Mann, Eishalle.
    »Ich verstehe nicht ganz«, sagte er.
    »Nach der Sendung sind wir noch was trinken gegangen, Mäkelä, der Gerichtsmediziner und Margot Lind. Und ich.«
    »Ja«, sagte Joentaa.
    »Und Mäkelä begann irgendwann, wie wild von seinen Puppen zu erzählen. Er sagte, dass es eine Irritation während der Sendung gegeben habe, weil die Puppe, die Kai-Petteri als Opfer eines Flugzeugabsturzes einführte, eigentlich einen anderen … Tod gestorben war. Er sagte, dass er Kai-Petteri in dem Moment nicht habe brüskieren wollen und dass es letztlich auch egal sei, da es für die charakteristischen Merkmale manchmal keinen Unterschied macht, ob man … dem Tod entgegenfällt oder ob er auf einen einstürzt.«
    Joentaa nickte. Es dauerte einige Sekunden, bis er den Vergleich begriff.
    »So etwa hat er es formuliert. Das Aussehen der Leichen ist wohl manchmal ähnlich, unabhängig davon, ob man bei einem Flugzeugabsturz oder beim Einsturz eines Gebäudes ums Leben kommt. Wie eben im Fall dieser Eishalle.«
    Eishalle, dachte Joentaa.
    »Verstehen Sie?«
    »Nein«, sagte Joentaa.
    Eishalle, dachte er. Turku.
    »Also, die Puppe, die er uns kurzfristig geliefert hatte, war für ein Dokudrama angefertigt worden. Der Unfall in der Eishalle in Turku, das Dach ist eingestürzt. Das war eine große Sache, Anfang des Jahres.«
    Joentaa nickte. Mäkeläs Archiv. ToteFürDummys. Er stand auf und nahm seinen Rucksack. Die CD, die ihm der freundliche Helsinkier Kollege gebrannt hatte, lag in der Seitentasche.
    »Vermutlich ist es nicht wichtig«, sagte Tuula Palonen. »Aber ich wollte es Ihnen sagen, weil Sie sich ja für … diese Aspekte interessiert hatten.«
    »Ja, danke«, sagte Joentaa. Er sah sich um. »Ich möchte eine CD abspielen. Geht das an dem Computer hier?« Er deutete auf das Gerät auf dem seitlich versetzt stehenden Schreibtisch.
    »Sicher«, sagte Tuulikki. Sie nahm die CD und führte sie ins Laufwerk ein.
    Tuula Palonens Handy spielte eine Sinfonie.
    »Ja? Oh, gut. Wunderbar. Bin gleich da.«
    »Da sind nur Fotos drauf«, sagte Tuulikki.
    Joentaa setzte sich neben sie an den Schreibtisch.
    Eishalle, Turku, dachte er. Das Unglück hatte die Nachrichten dominiert. Anfang des Jahres. Für einige Tage hatte

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