Im Wirbel der Gefuehle
drehte sich der Junge um und wollte gerade gehen, als Christien ihn auf einmal fragte: »Kannst du fechten?«
Interessiert drehte sich der junge Mann wieder um. Obwohl er es nicht direkt zeigte, schien er auch ein wenig stolz darauf, dass man ihm diese Fähigkeit zutraute. »Noch nicht. Maman meinte, ich sei diese Saison noch zu jung für die Fechtschule, aber Papa versprach es mir für kommenden Winter.«
»Ich könnte dir ein paar grundlegende Techniken zeigen. Zwar habe ich heute Morgen meinen Übungsraum geschlossen, doch auch ich möchte nicht einrosten. Ein Trainingspartner käme mir da nicht ungelegen.«
Pauls Gesicht glühte vor Begeisterung, und seine Sommersprossen leuchteten. Für einen Augenblick sah es so aus, als ob er einwilligen würde, doch dann meinte er resigniert: »Ich kann nicht«, und sah traurig auf seine Stiefel hinunter.
»Warum nicht? Ich bin zwar ein Eindringling, aber bald gehöre ich zur Familie.«
»Das ist es nicht.«
»Glaubst du, dass ich so ungeschickt bin, deinen Fechtstil zu ruinieren, noch bevor du einen eigenen entwickelt hast?«
Paul lächelte gequält. »Ich habe Sie in New Orleans gesehen und kenne Ihren Ruf, Sie sind der Beste.«
»Also etwas Ernsteres. Du glaubst, ich habe dich um dein rechtmäßiges Erbe gebracht, ist es das?«
Als Antwort zuckte er nur verdrossen mit den Schultern.
»Diesbezüglich kann ich nicht viel machen, außer mich zu entschuldigen. Es tut mir leid.«
»Aber nicht genug, um davon Abstand zu nehmen«, murmelte Paul so leise, dass Christien sich anstrengen musste, ihn zu verstehen. »Nein«, sagte er einfach. »Ich habe dieses Landgut so nötig wie du, vielleicht noch mehr.«
»Habe ich mir schon gedacht.«
»Hättest du an meiner Stelle anders gehandelt?«
Paul Cassard schaute ihn kurz an und schüttelte dann den Kopf. »Deswegen ist es noch lange nicht rechtens.«
Das war kaum zu bestreiten. »Ich gebe zu, dass dem so ist, doch das ändert nichts. Kann ich dich in der Zwischenzeit nicht doch zu einer kleinen Fechteinheit überreden? Du kannst soviel du willst auf mich eindreschen. Und wer weiß, vielleicht erringst du ja auch ein paar Treffer, ein paar Vergeltungsschläge zum Ausgleich.«
»Eher unwahrscheinlich, denn ich habe im Leben noch keinen Degen gehalten«, antwortete Paul mürrisch.
»Keiner von uns ist als Fechtmeister auf die Welt gekommen. Ich werde dir die richtigen Bewegungsabläufe zeigen und nur vorsichtig fechten, bis du die Grundlagen beherrschst.«
»Ich habe keine Angst«, entgegnete er wütend. Sein Gesicht verfinsterte sich, und seine Augen blitzten auf. Jetzt hatte Christien ihn soweit. »Sehr gut. Sollen wir uns in einer halben Stunde unter den Eichen neben dem Haupthaus treffen? Ich muss noch kurz nach meinen Sachen sehen, bin dann aber rechtzeitig fertig.«
Der junge Cassard nickte so entschlossen, dass Christien sich ein Grinsen kaum verkneifen konnte. Wenn nur auch seine Schwester so leicht zu durchschauen und lenken wäre.
Eine knappe Stunde später waren die beiden beim
Training. Die Fechtbahn bestand hier aus Grasboden, über den die Kämpfenden vor- und zurücktänzelten. Die Spitzen der Klingen kreuzten sich, und Christien übte mit dem Jungen unermüdlich die Grundzüge des Fechtens ein. Schweiß lief ihnen über das Gesicht und den Nacken, sodass die Haare schon nass wurden. Auch die Finger wurden klebrig, und der Griff des Degens rutschte in der Hand. Der Geruch der durch das Vor- und Zurückweichen herausgerissenen Grasbüschel vermischte sich mit dem der gebratenen Zwiebeln, der von der nicht weit entfernten Außenküche zu ihnen herüberzog.
Paul musste des Öfteren als Zuschauer in den Fechtschulen gewesen sei, auch wenn sein Vater ihm den Unterricht dort verboten hatte. Vielleicht sah er auch ab und zu ein illegales Duell, während er im Winter mit der Familie in New Orleans wohnte. Das war nichts Ungewöhnliches, da oft ein Wort das andere ergab und der Degen locker saß, wenn zwei sich trafen. Zumindest hatte der junge Cassard einige elementare Kenntnisse von den Grundpositionen beim Fechten, aber auch von der dazugehörigen Etikette.
Christien hatte seine Degen aus der Stadt mitgebracht, außerdem die nötige Ausrüstung, um die Klingen funktionstüchtig zu halten, und einen gepolsterten Übungsanzug. Letzteren gab er Paul, damit er gut geschützt war. Da es eher unwahrscheinlich schien, dass Paul ihn verletzten würde, er aber im Gegenzug unter keinen Umständen Reines Bruder in
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