Im Wirbel der Gefuehle
Gefahr bringen wollte, war das die beste Lösung, zumal immer mal ein Unfall passieren konnte. Auf keinen Fall wollte Christien seine Ehe damit beginnen, seiner Angetrauten erklären zu müssen, warum ihr kleiner Bruder eine blutige Verletzung hatte.
Gerade war er dabei, eine Sekond zu parieren, als er aus dem Augenwinkel den Schatten einer sich nähernden Person wahrnahm. Niemand anderes als Reine kam raschen Schrittes mit ihren bauschigen Röcken, die um ihre Füße spielten, von der grellen Mittagssonne in die Kühle der Laubbäume. Erst kurz vor den beiden, schon in Reichweite der Klingen und mitten auf der improvisierten Planche, deren Grenzen mit staubendem Kalk aufgezeichnet waren, blieb sie stehen.
»Was um Gottes willen macht ihr da?«
Ganz außer Atem und in freudiger Aufregung antworte ihr Paul. »Nach was sieht es denn aus? Vielleicht ein Duell?«
»Sei nicht lächerlich, ich weiß selbst, dass es das nicht ist.« Ihre tiefblauen Augen blitzten vor Ärger auf, und ihre Lippen wurden schmal und streng.
»Monsieur Lenoir bot mir an, mich im Fechten zu unterrichten.«
»Und du warst einverstanden! Bist du total verrückt? Hör auf, hör sofort damit auf!«
Obwohl sie ihren Bruder anschrie, schaute sie Christien an. Er könnte schwören, dass er die Nadelstiche ihres Blickes am ganzen Körper spürte, auf seinem schweißnassen Gesicht, seinen Schultern, seiner Brust und auch noch weiter unten, dort, wo seine Hosen an den muskulösen Oberschenkeln klebten. Mit einer abrupten Handbewegung gab Christien das Zeichen, aufzuhören. Er trat einen Schritt zurück und senkte seine Degenspitze auf den Boden.
»Es war nur zur Übung«, protestierte Paul lauthals, während er ebenfalls in die Ausgangsposition zurücktrat und sich mit seinem Hemdsärmel den Schweiß aus dem Gesicht wischte. Noch immer spürte er das Hochgefühl des soeben überstandenen Schlagabtau-sches und fuhr atemlos und begeistert fort: »Niemand konnte verletzt werden. Monsieur Lenoir weiß auf den Zentimeter genau, wie er seinen Degen führen muss, und er hat diesen Frühling den ersten Preis in einem Fechtturnier mit vierzig Teilnehmern gewonnen, das heißt, er ist der Beste in ganz New Orleans.«
»Ich mache mir auch keine Sorgen um dich.«
Christien blickte sie kurz an, während sein Herz schneller schlug. Sie meinte doch nicht unterschwellig, dass ihr auch etwas an ihm gelegen sei, oder? Reine vermied den Augenkontakt mit Christien und konzentrierte sich ganz auf ihren Bruder. Ihr Haar leuchtete in den Sonnenstrahlen, die durch die Äste der Bäume drangen. Nicht nur ihrem Gesicht, auf dem sich kleine Schweißtropfen bildeten, war die Erregung der letzten Minuten anzusehen, sondern ihrem ganzen Körper. Ihre wohlgeformten Brüste hoben und senkten sich rhythmisch bei jedem Atemzug und suggerierten eine ganz andere Anstrengung.
»Worum dann?«, fragte Paul grummelnd. Doch mit einem Mal war es ihm klar. »Oh, M aman.«
»Ja, Maman. Du weißt doch, wie sie ist. Was wäre, wenn sie euch zufällig hier draußen gesehen hätte?«
Paul wurde leicht rot und wandte sich von dem strengen Blick seiner Schwester ab, um Christien das Problem zu erklären. »Unsere Mutter reagiert äußerst besorgt bei jeder Art von Gewalt und gerät völlig außer sich, wenn sie Blut sieht. Daran hätte ich denken sollen.«
»Das war nur eine Übung.« Christien versuchte, ruhig zu wirken, und verbarg seine Enttäuschung.
»Ja, aber das wird sie kaum verstehen«, warf Reine sofort ein.
Sie wandte sich wieder an Paul und fuhr brüsk fort.
»Du schwitzt ja wie ein Schwein und riechst auch so. Am besten, du gehst dich gleich waschen, oder hast du vergessen, dass du noch eine ganz andere Art von Übung mit Pater Damien hast?«
»Latein und Mathematik anstatt Fechten? Also wirklich. Könnte man ihn nicht benachrichtigen, dass ...«
»Wir machen Schluss für heute, das war schon ganz gut.« Christien schnitt ihm das Wort ab, um seinen Protest zu beenden. Dann legte er seinen Degen nieder und nahm seinen, am Boden abgelegten Rock wieder auf, und zwar nicht nur, weil es unhöflich war, einer Dame gegenüber in Hemdsärmeln herumzulaufen, sondern auch, weil Paul nicht der Einzige war, der wie eine Viehherde stank. »Ich wusste nicht, dass du noch andere Verpflichtungen hast«, sagte er vorwurfsvoll, während er sich seinen Gehrock anzog und ihn an den Schultern zurechtzupfte. »Du hättest mir das sagen müssen.«
»Ich muss drei Tage die Woche bei dem Priester
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