Im Zauber der Gefuehle
und der Bow Street angeschlossen hatte. Dieses Verhalten hatte in Fleet Ditch nicht unbedingt zu seiner allgemeinen Beliebtheit beigetragen. Ohne auf die bedrohlichen Stimmen zu achten, ließ Nick den Blick durch die Menge schweifen.
Da sah er das Gesicht, das er gesucht hatte. Trotz seiner Reisen von einem Kontinent zum andern hatte Dick Follard sich kein bisschen verändert. Sein rattenhaftes Gesicht war immer noch von fettigem, schwarzem Haar umgeben, und die scharfen Zähne verliehen seinem Mund etwas Gezacktes, Raubtierhaftes. Ihre Blicke trafen sich in einem Moment eiskalter, tödlicher Herausforderung.
Im nächsten Augenblick war Follard verschwunden, wieselte geschickt durch die Menge zur Rückseite des Ladens. Ohne Rücksicht schob Nick sich durch die trägen Körper, die ihm im Weg standen und lagen, doch als er den Hinterhof erreicht hatte, war Follard bereits in das verwirrende Labyrinth aus Zäunen, Mauern und Seitenstraßen entflohen. Von Sayer fehlte jede Spur.
»Sayer!«, rief Nick. »Wo zum Teufel steckst du?«
»Hier drüben«, erklang die angestrengte Stimme des Runners, und als Nick herumfuhr, sah er, dass Sayer einen ein Meter achtzig hohen Zaun erklomm, um Follard zu verfolgen.
So schnell es ging, kletterte Nick über den Zaun, sprang auf der anderen Seite zu Boden und rannte eine dunkle Gasse entlang, die vom Dachgesims der Gebäude zu beiden Seiten überschattet wurde. Da hörte die Gasse auf einmal auf, und Nick hätte beinahe Sayer umgerannt, der hilflos nach oben starrte. Wie ein Insekt erklomm Follard die baufällige Außenmauer eines dreistöckigen Lagerhauses, indem er jedes Loch in der brüchigen Backsteinfassade als Halt benutzte. Nachdem er zwei Stockwerke hochgeklettert war, erreichte er ein Loch, das so groß war, dass er hindurchsteigen konnte. Seine knochige Gestalt verschwand im Innern des Lagerhauses.
Sayer fluchte wütend. »Wir haben ihn verloren«, meinte er ausdruckslos. »Nie im Leben würde ich so ein Manöver probieren.«
Nick betrachtete abschätzend das Mauerwerk, als er mit ein paar Schritten darauf zulief, und schwang sich dann in die Höhe. Er nahm denselben Weg wie vor ihm
Follard und grub seine Hände und die Stiefelspitzen in jeden Spalt, der sich ihm bot.
»Verdammt, Gentry!«, hörte er Sayers bewundernde Stimme unter sich. »Ich suche einen anderen Weg hinein.«
Nick hangelte sich weiter nach oben, bis er die Öffnung im zweiten Stock erreicht hatte, durch die er in das Gebäude kroch. Drinnen rührte er sich nicht und lauschte gebannt. Als er über sich Schritte hörte, schoss sein Blick zu einer Leiter, die anstelle einer längst verfallenen Treppe in den obersten Stock führte. Auf Zehenspitzen lief Nick auf sie zu. Die Leiter wirkte relativ neu, was die Vermutung nahe legte, dass das Gebäude trotz seines heruntergekommenen Zustandes immer noch genutzt wurde. Höchstwahrscheinlich diente es dazu, Schmuggelgut oder gestohlene Waren zu lagern, außerdem bot es Leuten, die auf der Flucht waren, ausgezeichneten Schutz, da kein Wachtmeister mit gesundem Menschenverstand seinen Fuß in das baufällige Haus setzen würde.
Die Leiter quietschte unter Nicks Gewicht, und als er das dritte Stockwerk erreicht hatte, musste er feststellen, dass die Bodendielen und Dachbalken größtenteils vermodert waren. Übrig geblieben waren nur einige wenige Holzplanken, die sich wie ein verfallenes Skelett durch den Speicher zogen. Während es am Rand noch einige dürftige Bretter gab, war die Mitte des Fußbodens, wie im zweiten Stock auch, völlig weggebrochen, sodass man Gefahr lief, bei einem falschen Schritt mehrere Stockwerke tief zu fallen.
Sobald Dick Follard Nick gewahrte, drehte er sich um und begann, über einen der Stützbalken zu balancieren. Nick durchschaute seine Absicht sofort: Das benachbarte Gebäude war so nah, dass es höchstens eines Sprunges von einem Meter bedurfte, um es zu erreichen. Follard musste sich nur aus einem der offen stehenden Fensterrahmen stürzen, um auf das Dach nebenan zu entkommen.
Mutig folgte Nick ihm und versuchte, das gähnende Loch unter dem Balken nicht zu beachten. Er setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, um Follard auf den Fersen zu bleiben, wobei sein Selbstvertrauen stieg, als er die Mitte des Speichers erreicht hatte. Doch kurz bevor er am Ende des Balkens angelangt war, zerriss ein unheilvolles Krachen die Stille, und das Holz gab unter ihm nach. Sein Körpergewicht war für das vermoderte Holz zu viel
Weitere Kostenlose Bücher