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Im Zauber der Gefuehle

Titel: Im Zauber der Gefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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warnenden Aufflackern in Westcliffs Augen konnte Nick ablesen, dass der Graf ihm nicht traute.
    Der Mann hatte gute Instinkte.

Viertes Kapitel
    Das Maifest in England sah von Dorf zu Dorf unterschiedlich aus. Es ging zurück auf eine uralte römische Feier zu Ehren der Göttin des Frühlings und mit der Zeit hatte jede Region ihre eigenen Bräuche zusätzlich zum Tanz um den Maibaum und den Mailiedern hervorgebracht.
    Es war schon lange her, dass Nick ein Maifest besucht hatte. Zusammen mit einer Gruppe anderer Gäste stand er auf einem Hügel nicht weit vom Herrenhaus und beobachtete das ausgelassene Tanzen auf dem Dorfplatz. Die Straßen leuchteten golden im Schein von Hunderten von Lampen und Fackeln. Ein buntes Gemisch aus Lachen, Musik und Gesang erfüllte die Luft, während die Frauen sich beim Tanzen vor dem Maibaum abwechselten.
    »Heute Abend erwarte ich eine gute Jagd«, erklang eine männliche Stimme in seiner Nähe. Sie gehörte Viscount Stepney, einem kräftigen jungen Mann und berüchtigtem Schürzenjäger. Seine beiden Begleiter, Lord Woodsome und Lord Kendal, brachen in lautes Gelächter aus. Als Stepney Nicks fragenden Blick bemerkte, erklärte er mit einem glucksenden Lachen: »Die Dorfmädchen werden bis in die frühen Morgenstunden Maisingen gehen. Fangt eine von ihnen im Wald, und sie wird alles mit sich machen lassen. Sogar die verheirateten Frauen tun es — in dieser einen Nacht dürfen sie den Ehering ablegen.«
    »Und die Ehemänner haben keine Einwände?«, erkundigte sich Nick.
    Diese Frage erntete einstimmiges Gelächter der Lords. »Aber nein«, entgegnete Stepney. »Die sind zu sehr damit beschäftigt, jungen Dingern nachzustellen, als dass sie sich darum scheren würden, was ihre Frauen treiben. Ein sehr angenehmer Volksfeiertag, wie?«
    Nick schenkte ihm ein dünnes Lächeln, ohne etwas zu erwidern. Offensichtlich hielten es Stepney und seine Begleiter für höchst amüsant, sich ein paar Minuten lang mit einem Dorfmädchen im Wald zu paaren. »Einmal kurz rein und wieder raus«, hatte Gemma Bradshaw die Liebestechniken der meisten Männer trocken beschrieben, die ihr Etablissement aufsuchten. Sie hatten keine Vorstellung von echter Leidenschaft und brauchten eine Frau nur dazu, dass sie die Beine breit machte. Sicherlich brachte ein kurzer Geschlechtsakt unter Fremden eine gewisse Erlösung, doch es war zu einfach und zu banal, um Nick zu befriedigen. Dank Gemmas Unterricht hatte er einen raffinierteren Geschmack entwickelt.
    ln Gedanken sah er Charlottes Antlitz mit den dunklen Augen, dem spitzen Kinn und den süßen Lippen vor sich. Sollten Stepney und seine Freunde ruhig auf die Suche nach einem kleinen Abenteuer gehen, Nick hatte viel interessantere Pläne.
    »Kommt, Sydney«, drängte der Viscount. »Die Dorfmädchen sind verfügbar, sobald der Maibräutigam gewählt worden ist.« Als er Nicks verständnislosen Blick gewahrte, setzte er zu einer Erklärung des Begriffs an. »Ein Bursche im heiratsfähigen Alter legt sich auf den Dorfanger und tut so, als würde er schlafen. Die Mädchen, die gewillt sind, ihn zu heiraten, laufen um die Wette, um ihn aufzuwecken. Die Erste, die ihn küsst, wird zur Maibraut gekürt und darf ihn als ihren Maibräutigam bezeichnen.« Er grinste lüstern und rieb sich die Hände. »Und die anderen Mädchen, die alle getröstet werden müssen, rennen in den Wald, wo sie darauf warten von unternehmungslustigen Kerlen wie mir gefangen zu werden. Ihr hättet die Kleine sehen sollen, die ich letztes Jahr erhascht habe - schwarze Haare und rote Lippen —, wenn Ihr schnell seid, könnt Ihr Euch auch eine fangen.«
    Nick wollte sich schon weigern, als sein Blick auf eine neue Gruppe Mädchen fiel, die sich nach den Bändern des Maibaums reckten. Eine der jungen Frauen zog seine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Wie die anderen trug sie ein weißes Bauernkleid und hatte das Haar mit einem roten Kopftuch bedeckt. Aus dieser Entfernung waren ihre Gesichtszüge schwer auszumachen, doch Nick erkannte sie sofort. Ein wehmütiges Lächeln umspielte seine Lippen, als er sich an Charlottes Worte erinnerte, sie habe vor, den Abend in ihrem Zimmer zu verbringen und ein Buch zu lesen. Ohne Zweifel würden die Westcliffs ihre Teilnahme an dem Dorffest missbilligen, also hatte sie sich dazu entschieden, verkleidet zu kommen. Faszination und Verlangen stiegen in ihm hoch, während er Charlottes schlanke Figur von oben bis unten betrachtete. Sie tanzte im Kreis um den

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