Im Zauber der Gefuehle
als sie vor dem Wunschbrunnen standen ... der sie im Wald geküsst und ihr ins Ohr geflüstert hatte, dass er schon immer nach ihr gesucht habe.
Mit gerunzelter Stirn trat der Graf auf sie zu und streckte seine Hand aus. »Ich muss mit Euch sprechen, Lottie.«
Ihrer Gewohnheit gemäß nickte sie gehorsam. »Sehr wohl, Sir.« Als Gentry sie nicht gehen ließ, warf sie ihm einen herausfordernden Blick zu. »Noch sind wir nicht verheiratet«, zischte sie ihm zu. »Lass mich los.«
Seine Hände gaben ihre Taille frei, und Lottie ging auf den Grafen zu, der sie leicht am Ellbogen nahm und in eine Ecke des Raumes zog. Seine respektvolle Berührung war so ganz anders als der zügellose, besitzergreifende Griff Gentrys.
Lord Westcliff sah auf sie herab, wobei ihm eine Locke seines dunklen Haares in die hohe Stirn fiel. »Lottie«, sagte er leise, »Ihr könnt unmöglich eine solche Entscheidung treffen, bevor Ihr nicht mehr über den Mann wisst, dem Ihr Euch da so ohne weiteres anvertraut. Lasst Euch nicht von dem Umstand täuschen, dass Gentry ein Bow-Street-Runner ist. Ohne Zweifel denkt Ihr, sein Beruf
verleihe ihm einen Sinn für Ehre oder gar ein gewisses Heldentum. In Nick Gentrys Fall trifft jedoch vielmehr das Gegenteil zu. Er ist und war schon immer eine öffentlich äußerst umstrittene Person.«
»In welcher Hinsicht?«, wollte Lottie mit einem Seitenblick auf die finstere Gestalt am anderen Ende des Zimmers wissen. Gentry genehmigte sich einen weiteren Brandy, während er so tat, als betrachte er eine Reihe Bücher. Der trotzige Zug um seinen Mund ließ keinen Zweifel offen, dass er genau wusste, worüber Westcliff mit ihr sprach.
»Gentry ist erst seit zwei oder drei Jahren Runner, davor war er ein Verbrecherkönig, der unter dem Deckmantel privater Ermittlungen in der Unterwelt sein Vermögen gemacht hat. Er führte eine berüchtigte Diebesbande an und wurde etliche Male wegen Betrugs, Diebstahls, Hehlerei und Beweisfälschung verhaftet. Mein Wort darauf, dass er mit jedem bekannten Verbrecher in ganz England per du ist. Trotz seiner scheinbaren Läuterung glauben viele, dass er immer noch mit seinen früheren Komplizen aus der Unterwelt illegale Geschäfte betreibt. Man kann ihm nicht trauen, Lottie.«
Obgleich sie sich Mühe gab, sich ihr Entsetzen nicht anmerken zu lassen, war sie innerlich wie gelähmt. Um Westcliffs breite Schulter herum warf sie einen Blick auf die bedrohliche Gestalt des Bow-Street-Runners, der träge in der dunkelsten Ecke des Arbeitszimmers lehnte. Der Schatten schien seine bevorzugte Umgebung zu sein, und seine Augen funkelten wie die einer Katze. Wie konnte ein Mann, der noch nicht einmal dreißig Jahre alt war, eine derart mannigfaltige Laufbahn hinter sich haben? Verbrecherkönig, privater Ermittler, Bow-Street- Runner ... wer in Gottes Namen war er?
»Miss Howard ... Lottie ...« Der Graf lenkte ihre Aufmerksamkeit mit einem leisen Murmeln erneut auf sich. »Denkt unbedingt noch einmal über meinen Antrag nach. Wie ich glaube, wäre dieses Arrangement für uns beide von Nutzen, und ich gebe Euch mein Wort, ein guter Ehemann zu sein, und dass es Euch an nichts fehlen ...«
»Mylord«, unterbrach sie ihn ernst. »Ich hoffe sehr, dass Ihr meine Weigerung als nichts anderes auffasst, als was sie tatsächlich ist: ein Zeichen meiner tiefsten Hochachtung. Ihr seid der ehrenwerteste Mensch, den ich je kennen gelernt habe, und aus ebendiesem Grund würde ich niemals zulassen, dass Ihr eine Ehe eingeht, ohne dass Liebe mit im Spiel ist. Ihr könnt nicht verhehlen, Mylord, dass ich alles andere als Eure erste Wahl wäre, selbst wenn Ihr Euch auf der Suche nach einer Frau befinden würdet. Sollte ich Euch die Ungerechtigkeit widerfahren lassen, Euer Angebot anzunehmen, würden wir beide es eines Tages bereuen. Mr. Gentry und ich passen viel besser zueinander, da keiner von uns eine Heirat als echte Eheschließung betrachten wird, sondern viel mehr als eine geschäftliche Transaktion, bei der ...« Ihre Wangen glühten, während sie sich dazu zwang, den Satz zu vollenden. »Bei der eine Dienstleistung mit einer anderen abgegolten wird.«
Westcliffs Miene verdüsterte sich. »Ihr seid nicht zynisch oder abgestumpft genug, um ein derartiges Arrangement zu ertragen.«
»Unglücklicherweise bin ich durchaus derart abgestumpft, Mylord. Dank Lord Radnor war es mir nie vergönnt, die Hoffnungen und Träume zu hegen, die in jeder anderen Mädchenbrust schlummern. Ich habe mir nie
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