Im Zauber der Gefuehle
Westcliff.«
Als ihr die Bedeutung seiner Worte klar wurde, starrte Lottie ihn an, als habe er den Verstand verloren. Sie benötigte eine halbe Minute, bevor sie überhaupt wieder sprechen konnte. »Sprichst du von Heirat? Wo liegt denn der Unterschied, ob ich dich heirate oder Lord Radnor?«
»Der Unterschied liegt darin, dass ich dir die Wahl lasse.«
»Weshalb solltest du bereit sein, dich für den Rest deines Lebens an mich zu ketten?«
Die Wahrheit konnte Nick ihr nicht sagen ... niemals. »Weil ich die Annehmlichkeit einer Ehefrau möchte«, log er. »Und du tust es da genauso gut wie jede andere.«
Wütend sog sie die Luft ein.
»Triff deine Wahl«, riet Nick ihr. »Du kannst weiter davonlaufen oder du heiratest jemanden. Mich oder Radnor.«
Wieder einmal bedachte sie ihn mit einem dieser langen, suchenden Blicke, die ihm eine Gänsehaut machten. Verflucht, er hasste es, wenn sie das tat. Auch diesmal konnte er weder blinzeln noch den Blick abwenden, und sie schien seine Gedanken lesen zu können, egal, wie sehr er darauf bedacht war, sie zu verbergen.
»Dich«, sagte sie steif. »Ich heirate dich.«
Und er stieß einen langsamen, kaum hörbaren Seufzer der Erleichterung aus.
Nachdem Lottie sich von seinem Schoß hochgerappelt und ihre Kleidung gerichtet hatte, stand sie auf, um sich aus der Kristallkaraffe auf der Mahagonianrichte einen Brandy einzuschenken. Ihr war schwindlig, und die Knie waren weich - alles Anzeichen, dass mehr Alkohol das Letzte war, was sie in diesem Augenblick brauchte. Außerdem war sie zumindest theoretisch immer noch Lord Westcliffs Hausangestellte, und keine Dienstbotin würde je auf den Gedanken verfallen, sich am Likör des Dienstherrn zu vergreifen. Andererseits waren die Grenzen nach den verblüffenden Enthüllungen des Abends immer mehr verschwommen. Belustigt dachte sie darüber nach, dass sie in der letzten Stunde Heiratsanträge von zwei grundverschiedenen Männern erhalten hatte.
Und die Sachen, die Nick Gentry eben mit ihr angestellt hatte - nein, darüber würde sie sich keine Gedanken machen, solange ihr Herz derart heftig klopfte und ihr Körper immer noch im Echo schamvollen Genusses erzitterte. Lottie schenkte sich großzügig ein und setzte den ausgezeichneten Jahrgang mit einer widerwilligen Grimasse an die Lippen.
Gentry kam zu ihr und nahm ihr das Glas ab, nachdem sie die Hälfte getrunken hatte. »In einer Minute bist du so betrunken wie ein Droschkenkutscher.«
»Macht das etwas?«, fragte sie heiser und beäugte ihn, wie er den Brandy an ihrer Stelle austrank.
»Wahrscheinlich nicht.« Als sie vor ihm wankte, stellte er das leere Glas ab und umschloss ihre Taille mit den Händen. Ein selbstironisches Lächeln umspielte seine Lippen. »Gott weiß, dass eine Frau dringend Stärkung bedarf, die einer Heirat mit mir zugestimmt hat.«
An der Tür erklang ein forsches Klopfen, und Lord Westcliff betrat das Zimmer. Sein Adlerblick blieb an den beiden hängen und schien auf der Stelle zu registrieren, wie nahe sie beieinander standen. Fragend hob er eine Braue.
Gentrys Hände umschlossen Lotties Taille nur umso fester, als sie versuchte, von ihm wegtreten zu wollen. »Ihr seid der Erste, der uns gratulieren darf«, erklärte er dem Grafen spöttisch. »Miss Howard hat mir die Ehre erwiesen, mir ihre Hand zu versprechen.«
Lord Westcliffs Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als er Lottie ansah. » Das ist die dritte Möglichkeit?«
»Wie es scheint«, meinte sie unsicher, »ja.«
Lottie wusste, dass der Graf nicht verstand, weswegen sie bereit war, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen. Als sie seinen Blick erwiderte, lag darin das stumme Flehen, keine Erklärung von ihr zu verlangen, da sie nicht in der Lage war, ihm ihre Gründe zu nennen. Sie war es leid, sich verstecken zu müssen und immer Sorgen und Angst zu haben. Nick Gentry würde ihr Zuflucht gewähren. Er
kannte keine Skrupel, war gefühllos und welterfahren — genau der Mann, um sie vor Radnor zu beschützen. Doch all das hätte nicht ausgereicht, um sie dazu zu bringen, ihn zu heiraten. Ein zusätzlicher Punkt hatte den Ausschlag gegeben: ihr Wissen, dass Gentry etwas für sie empfand. Trotz seiner gegenteiligen Anstrengungen, war es ihm nicht gelungen, dies zu verbergen, und obwohl sie es eigentlich besser wissen sollte, wollte sie ihn. Oder zumindest wollte sie den Mann, der er zu sein vorgegeben hatte ... der sie mit solch verzweifelt durchdringenden Blicken angesehen hatte,
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