Im Zauber der Gefuehle
Lotties empörte Miene bemerkte, fügte er hinzu: »Außer dir.«
»Das will ich hoffen«, entgegnete sie. »Ich bin schließlich auf deiner Seite.«
»Bist du das?«, fragte er, den die Vorstellung wider Willen magisch in ihren Bann schlug.
»Du bist nicht der Einzige, dessen Leben auf den Kopf gestellt wurde«, erklärte sie ihm. »Und ich habe mir Sorgen um die Probleme gemacht, die meine Familie verursachen könnte!«
Trotz seines Ärgers war Nick versucht zu lächeln. Er ging zu ihr und streckte die Hand nach ihr aus. »Wenn es aufhört zu regnen«, sagte er und zog sie zu sich herauf, »statten wir morgen deinen Eltern einen Besuch ab.«
Lotties ausdrucksvolle Miene verriet gleichermaßen Bestürzung und Freude. »Wenn es ungünstig sein sollte ... also wenn du schon andere Pläne hast ... warte ich natürlich.«
»Ich habe keine anderen Pläne«, erwiderte Nick und musste an seine Entlassung denken. »Morgen passt mir so gut wie jeder andere Tag.«
»Vielen Dank. Natürlich möchte ich sie unbedingt Wiedersehen. Ich hoffe nur ...« Lottie brach mitten im Satz ab und runzelte die Stirn. Sie zog den Saum des Morgenmantels wie eine Schleppe hinter sich her, als sie auf das Feuer zutrat. Nick folgte ihr; am liebsten hätte er sie tröstend in den Arm genommen und ihre Lippen geküsst, bis sie von seinem Mund ganz weich wurden.
»Denk am besten nicht daran«, riet er ihr. »Wenn du dich quälst, ändert das gar nichts.«
»Es wird kein erfreulicher Besuch werden, schließlich haben beide Seiten das Gefühl, verraten worden zu sein -auch wenn ich mir sicher bin, dass die meisten Leute mir die Schuld geben würden.«
Nick streichelte durch den seidenen Stoff des Morgenmantels besänftigend ihre Arme. »Wenn du noch einmal vor der Wahl stündest, würdest du bleiben und Radnor heiraten?«
»Auf keinen Fall.«
Er drehte Lottie zu sich und strich ihr das Haar aus der Stirn. »Dann verbiete ich dir, dich schuldig zu fühlen.«
»Du verbietest es mir?«, wiederholte sie mit hochgezogener Braue.
Nick grinste. »Du hast versprochen, mir zu gehorchen, oder etwa nicht? Also, tu, wie dir geheißen wird, oder du musst die Konsequenzen tragen.«
»Die da wären?«
Er öffnete ihren Morgenmantel und streifte ihn ihr über die Schultern, um genau demonstrieren zu können, was er meinte.
Die Howards lebten in einem Dorf, das zwei Meilen westlich von London lag und von Feldern umgeben war. Nick erinnerte sich noch von seinem ersten Besuch zu Beginn seiner Suche nach Lottie an das hübsche, aber heruntergekommene Haus. Die ironische Fügung, dass er nun als ihr neuer, obschon ungewollter Schwiegersohn in den Schoß der Familie zurückkehrte, hätte ihm ein Lächeln entlockt, wenn Lottie sich die Fahrt über nicht in undurchdringliches Schweigen gehüllt hätte. Er wünschte, er könnte ihr den schweren Besuch ersparen, andererseits war es notwendig, dass sie sich ihren Eltern stellte und zumindest versuchte, eine Versöhnung herbeizuführen.
Das kleine Häuschen im Tudorstil stand inmitten einer Reihe ähnlicher Gebäude. Der Vorgarten war völlig überwuchert und die Backsteinfassade wirkte baufällig.
Drei Kinder spielten in dem Vorgarten. Wie Lottie hatten sie flachsblondes Haar und waren blass und schlank. Nick konnte sich nicht mehr an die Namen erinnern, die man ihm bei seinem Besuch vor vielen Wochen genannt hatte. Als die Kutsche in der gepflasterten Straße anhielt, erschienen die kleinen Gesichter sofort am Gartentor und starrten durch die abblätternden Zaunlatten, während Nick Lottie aus dem Gefährt half.
Nach außen wirkte Lottie gelassen, doch Nick konnte sehen, wie fest ineinander gekrallt ihre behandschuhten
Finger waren, und er empfand etwas, das er noch nie zuvor empfunden hatte: Sorge um die Gefühle eines anderen Menschen. Diese neue Erfahrung war überhaupt nicht nach seinem Geschmack.
Lottie blieb vor dem Tor stehen, das Gesicht ausgesprochen blass. »Guten Tag, alle miteinander«, murmelte sie. »Bist du das, Charles? Ach, du bist so gewachsen, ich erkenne dich ja kaum wieder! Und Eliza, und - du lieber Himmel! — ist das Baby Albert?«
»Ich bin kein Baby!«, schrie das Kleinkind empört.
Lottie errötete, hin- und hergerissen zwischen Lachen und Tränen. »Aber natürlich nicht, du musst mittlerweile drei Jahre alt sein.«
»Du bist unsere Schwester Charlotte«, sagte Eliza, von deren ernstem, kleinem Gesichtchen zwei lange Zöpfe abstanden. »Die weggelaufen ist.«
»Ja.« Um
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