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Im Zauber der Gefuehle

Titel: Im Zauber der Gefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Lotties Mund lag mit einem Mal ein Anflug von Melancholie. »Nun bin ich aber wieder hier, Eliza. Ich habe euch alle so sehr vermisst.«
    »Du solltest Lord Radnor heiraten«, sagte Charles und musterte sie mit runden, blauen Augen. »Er war sehr wütend, als du es nicht getan hast und nun wird er ...«
    »Charles!« Die aufgeregte Stimme einer Frau drang aus dem Hausflur. »Komm sofort vom Tor weg!«
    »Aber es ist Charlotte «, protestierte der Junge.
    »Ja, das sehe ich. Kommt jetzt, Kinder, alle miteinander. Sagt der Küchenmagd, sie soll euch Marmeladenbrote machen.«
    Es war Lotties Mutter, eine zerbrechlich wirkende Frau Anfang vierzig mit einem ungewöhnlich schmalen Gesicht und hellblonden Haaren. Nick entsann sich, dass ihr Mann untersetzt war und volle Wangen hatte. Keiner der beiden war sonderlich gut aussehend, doch durch eine glückliche Fügung der Natur hatte Lottie von beiden das Beste geerbt.
    »Mama«, sagte Lottie leise, wobei sie sich am oberen Rand des Gartentores festklammerte. Die Kinder stürmten eilig ins Haus, um sich die versprochene Süßigkeit zu holen.
    Mrs. Howard betrachtete ihre Tochter mit teilnahmslosem Gesicht, durch das sich tiefe Falten zwischen Nase und Mund und über die Stirn zogen. »Lord Radnor war vor ein paar Tagen hier«, meinte sie. Die einfache Aussage enthielt eine deutliche Anklage.
    Aut der Suche nach den richtigen Worten blickte Lottie über die Schulter zu Nick, der sofort reagierte, zu ihr trat und das Tor öffnete. »Dürfen wir eintreten, Mrs. Howard?«, fragte er. Ohne auf die Erlaubnis zu warten, führte er Lottie zum Haus. Ein böser Schalk gab ihm ein, hinzuzufügen: »Oder soll ich Euch Mama nennen?« Dabei ahmte er spöttisch nach, wie Lottie das Wort ausgesprochen hatte, mit der Betonung auf der letzten Silbe.
    Für diese Unverschämtheit stieß ihm Lottie den Ellbogen in die Rippen, als sie das Haus betraten, woraufhin sich seine Lippen zu einem Grinsen verzogen.
    Im Hausinnern roch es muffig. Die Vorhänge waren schon etliche Male umgedreht worden, sodass beide Seiten ungleichmäßig von der Sonne gebleicht waren, während die uralten Teppiche so abgenutzt und verschlissen waren, dass das ursprüngliche Muster kaum mehr zu erahnen war. Alles, von den angeschlagenen Porzellanfiguren auf dem Kaminsims bis hin zu den schmutzigen Tapeten an den Wänden, deutete auf die ehemalige Vornehmheit des Hauses hin, die längst dem Verfall preisgegeben war. Mrs. Howard selbst machte denselben Eindruck, wenn sie sich mit müder Eleganz und dem Selbstbewusstsein einer Grande Dame bewegte, die einst an ein viel besseres Leben gewöhnt gewesen war.
    »Wo ist Vater?«, wollte Lottie wissen, als sie die Mitte des Salons erreicht hatte, der kaum größer als eine Kammer war.
    »Der besucht deinen Onkel in der Stadt.«
    Die drei standen in der Mitte des Raumes, der eine Zeit lang von unbehaglichem Schweigen erfüllt war. »Warum bist du hergekommen, Charlotte?«, fragte ihre Mutter schließlich.
    »Ich habe euch vermisst, ich ...« Lottie hielt inne, als sie den leeren Gesichtsausdruck ihrer Mutter gewahrte. Nick konnte spüren, wie unnachgiebiger Stolz und Reue in der Brust seiner Frau miteinander kämpften, als sie fortfuhr: »Ich wollte euch sagen, dass es mir Leid tut, was ich getan habe.«
    »Ich wünschte, ich könnte das glauben«, erwiderte Mrs. Howard spröde. »Doch es fällt mir schwer. Du bedauerst es kein bisschen, dich deiner Verantwortung entzogen zu haben, und genauso wenig tut es dir Leid, deine Bedürfnisse über die aller anderen gestellt zu haben.«
    Es fiel Nick nicht leicht, mit anzuhören, wie jemand seine Frau kritisierte - selbst wenn es sich dabei um ihre eigene Mutter handelte. Um Lotties willen sagte er jedoch nichts. Mit hinter dem Rücken gefalteten Händen starrte er auf den verschlissenen Teppich.
    »Ich bedaure sehr, euch so viel Leid und Sorgen verursacht zu haben, Mama«, sagte Lottie. »Und es tut mir Leid, dass wir zwei Jahre lang nichts voneinander gehört haben.«
    Endlich zeigte Mrs. Howard so etwas wie Gefühle — in ihrer Stimme schwang Verärgerung mit. »Das war deine Schuld, nicht unsere.«
    »Natürlich«, gab ihre Tochter kleinlaut zu. »Ich würde mir niemals herausnehmen, dich zu bitten, dass du mir verzeihst, aber ...«
    »Was geschehen ist, ist geschehen«, unterbrach Nick Lottie, als er ihren demütigen Tonfall nicht länger ertragen konnte. Der Teufel sollte ihn holen, wenn er hier stand und mit ansah, wie sie

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