Im Zauber des Highlanders
Genicke brechen, Messer werfen und mühelos töten konnten, waren zu unglaublicher Zär t lichkeit und Behutsamkeit fähig.
»Schließ die Tür hinter mir ab, wenn ich gegangen bin, Mädchen. Ich bleibe nicht lange weg. Mach niemandem außer mir auf. Wirst du dich an meine Anweisungen halten?«
Sie öffnete den Mund, um ihn zu fragen, was er vorhatte und wie sie sich seiner Meinung nach aus diesem
Schlamassel befreien sollten, aber er legte den Zeigefinger auf ihre Lippen.
»Die Zeit ist von allerhöchster Bedeutung«, sagte er leise. »Ich weiß nie, wie lange ich frei bin. Wir müssen handeln - Worte helfen uns jetzt nicht weiter. Wirst du meine Anweisungen befolgen, Jessica?«
Sie atmete aus und nickte.
»Braves Mädchen.«
Sie streckte die Zunge heraus und ahmte einen hechelnden Hund nach - sie war froh um jeden unbeschwerten Moment. Er bedachte sie mit einem anerkennenden Lächeln. » Bewahre dir dein Lachen, Jessica. Das ist ein kostbares Gut.«
Sie war ganz seiner Meinung.
Er drehte sich um, hob die Leiche hoch und verließ das Zimmer. Die Tür zog er hinter sich zu.
»Schließ ab«, ertönte seine leise, tiefe Stimme vom Flur.
Jessi schob den Riegel vor. Erst dann hörte sie seine Schritte.
Vierzig Minuten später traten Jessi und Cian gemeinsam aus dem Lift.
Er hielt ihre Hand, und obwohl sie nie viel für Händchenhalten übrig gehabt hatte, gefiel es ihr, wenn sich seine kräftigen Finger in ihre schoben. Sie kam sich klein und zart - richtig weiblich - an seiner Seite vor.
Sie schaute zu ihm auf und schnappte nach Luft. Er war ungeheuer attraktiv. Er trug eine ausgebleichte Jeans und ein ausgewaschenes schwarzes Ironman— T-Shirt. Den Kilt hatte er sich über die Schulter geworfen und den Gurt mit der Messerscheide um die Taille geschnallt. Die todbringende Klinge war mittlerweile gesäubert und steckte in der Scheide. Jessi hatte versucht, ihm auszureden, die Waffe so offen zu zeigen, und darauf hingewiesen, dass er Gefahr lief, verhaftet zu werden. Er hatte erwidert, dass sie sich die Worte sparen könne - er, Cian MacKeltar gehorchte nur seinen eigenen Gesetzen.
Das überraschte sie nicht besonders.
Seine Muskeln zeichneten sich unter dem T-Shirt ab. Mit den roten und schwarzen Tattoos am Hals und beiden Oberarmen, den archaischen Goldmanschetten, den langen Zöpfen und dieser Größe wirkte er absolut gefährlich.
Jessi fragte sich unwillkürlich, wie er an diese Kleider gekommen war - wenn man bedachte, dass sie ihm gut passten, musste dem ein Kampf der Giganten vorausgegangen sein.
Ihr hatte er Kleider gebracht, die nach einem fremden Parfüm rochen -, und eine Jeans mit dem Schriftzug Lucky you auf der Innenseite des Schlitzes. Sie saß so tief, dass sich Jessi bestimmt nie mit dem Rücken zu anderen Leuten hinsetzen würde. Außerdem einen weißen Pulli mit V-Ausschnitt, so eng anliegend, dass sich die Konturen des BHs abzeichnen würden.
Wenn er ihr einen mitgebracht hätte.
Na ja. Bettler durften nicht wählerisch sein. Sie musste nur zu ihrem Auto gehen, dann konnte sie eine Jacke überziehen.
Als er ins Zimmer zurückgekommen war und ihr das Kleiderbündel in die Hand gedrückt hatte, rief sie aus: »Wo hast du ...?«
»Pst«, unterbrach er sie. »Zieh dich um. Wir müssen so viel so schnell wie möglich erledigen. Wenn mich der Spiegel zurückruft, haben wir Zeit genug zum Reden.«
»Okay.« Sie zuckte mit den Schultern. Sie wusste, dass sie sich aus ihren gegenwärtigen Problemen nicht befreien konnte. Vielleicht gelang es ihm. Er hatte bereits zwei Dinge geschafft, die sie im Leben nicht für möglich gehalten hätte: Er hatte die Leiche verschwinden lassen und Kleidung besorgt. Trotzdem hätte sie wirklich gern einen BH gehabt. Enthusiastisch wäre kaum das Adjektiv gewesen, mit dem sie sich im Moment beschrieben hätte, und mit jedem Schritt wurde ihr bewusst, dass sich manche Körperteile tatsächlich in den Vordergrund drängten. Sie hoffte nur, in nächster Zeit nicht schnell laufen zu müssen.
Zu dieser Zeit war die Lobby fast menschenleer. Als sie das lange Foyer betraten, fiel ihr Blick sofort auf den mit Steroiden voll gepumpten Mann; er stand an der Rezeption und hatte den Arm um eine aufgedonnerte Blondine gelegt, die nicht halb so aufgebracht wirkte wie er. Zufällig sah er genauso aus wie die Typen, die ein Ironman— T-Shirt tragen würden.
Der Mann schrie wütend auf zwei Hotelangestellte hinter dem Tresen ein. Prima, dachte Jessi. Sie wurde das
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