Im Zauber des Highlanders
Geschichte besser erzählen, als ich es könnte, aber mein Zwillingsbruder, den du bald kennen lernst, und ich kommen aus dem sechzehnten Jahrhundert.«
Jessi stutzte. »Hast du dich auch gewandelt? Bist du deshalb heute hier?«
»Gewandelt?«
»Zu einem schwarzen Magier«, erläuterte sie. »Sind dein Bruder und du deshalb im Hier und Jetzt gelandet? Wart ihr auch Gefangene oder in irgendwelche Sachen verstrickt?«
Dageus verschluckte sich fast an der eigenen Spucke. »Bei allen Heiligen, Mädchen, ist Cian ein schwarzer Magier?«
»Weißt du denn nichts über deinen Vorfahren?«
»Sein Name wurde vor elf Jahrhunderten aus allen Keltar-Annalen gestrichen. Ehrlich gesagt, bis vor kurzem haben wir alle geglaubt, dass er nichts weiter als eine Legende ist. Er ist also ein Hexenmeister, der sich mit schwarzer Magie befasst?«
»Er scheint das zu denken. Ich hingegen bin mir nicht so sicher.«
»Wie ist er denn in den Spiegel geraten?«
»Das weiß ich nicht. Er möchte nicht darüber sprechen. Noch nicht«, fügte sie bestimmt hinzu. Jessi hatte heute einige Erkenntnisse gewonnen, als sie auf der Suche nach Cian war und befürchten musste, ihn nie wiederzusehen. An diesem unendlich langen Tag war sie ganz allein mit ihren Gedanken und Ängsten gewesen und hatte in gewissen Punkten Klarheit gewonnen.
Zum Beispiel, dass sie alles über Cian MacKeltar wissen wollte. Alles, ob gut oder schlecht. Aus den Geschichten, die er ihr in der Nacht, nachdem er die als Mädchen vom Zimmerservice getarnte Meuchelmörderin getötet hatte, erzählt hatte, wusste sie, dass er eine wunderschöne Kindheit in den Highlands erlebt hatte. Und sie wusste, dass irgendwann etwas ganz entsetzlich schiefgelaufen sein musste. Sie wollte wissen, was das war; was ihn in den Spiegel gebracht hatte; wieso er glaubte, ein schwarzer Zauberer zu sein, wo sie doch jedes Mal, wenn sie ihn ansah, Licht vor den Augen hatte.
Okay, kein süßes, reines, strahlendes Licht. Nicht einmal annähernd. So ein Mann war Cian MacKeltar nicht und würde es auch nie sein. Um die Wahrheit zu sagen, sie mochte solche Männer auch nicht sonderlich. Cian war keiner von den bösen Jungs, aber wenn es nötig wurde, konnte er es im Nu werden - ohne jede Reue.
Es lag jedoch nicht in seinem Charakter, böse zu sein. Er war das, was Psychologen und Anthropologen einen »Alpha-Mann« nennen würden - ein Mann, der nur seinen eigenen Gesetzen gehorchte. Wenn diese Gesetze mit denen der Gesellschaft übereinstimmten, dann war es reiner Zufall. Man konnte nie voraussehen, wie sich ein Alpha-Mann verhielt, wenn er oder ein anderer, den er als einen der Seinen betrachtete, bedroht wurde. Man konnte nur hoffen, zu denen zu gehören, die unter dem Schutz eines Alpha-Mannes standen, oder man musste ihm so weit wie möglich aus dem Wege gehen.
Jessi wusste, wo sie sein wollte - direkt im Zentrum von Cian MacKeltars Schutzzone. Und das nicht nur, weil es jemand auf ihr Leben abgesehen hatte, sondern weil sie unter allen Umständen in seiner Nähe sein wollte. Das war die zweite Erkenntnis, die sie an diesem Tag gehabt hatte.
»Du glaubst nicht, dass er ein schwarzer Zauberer ist, Mädchen?« Dageus riss sie aus ihren Gedanken. »Du hältst ihn für einen guten Mann? Glaubst ihm? Von Herzen?«
Sie musterte Dageus neugierig. In seiner Stimme schwang Eindringlichkeit mit, als wäre diese Frage sehr wichtig für ihn. »Du kennst mich überhaupt nicht. Was sollte es dir bedeuten, wenn ich davon überzeugt wäre?«
»O Jessica! Die Ansichten und Gefühle einer Frau sind für Keltar-Männer immer wichtig.«
Hmmm. Jessi mochte die Keltar-Männer von Minute zu Minute mehr.
»Also? Hältst du ihn für einen guten Menschen?«, drängte er sie.
»Ja«, antwortete Jessi vorbehaltlos.
Als sie zum Schloss kamen - und Himmel, was für ein Schloss das war! -, führte Dageus sie in so halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die Räume, dass sie ihre Umgebung kaum wahrnehmen konnte.
Sie erhaschte einen kurzen Blick auf die prachtvolle Halle mit den gewaltigen Marmortreppen, die sich von beiden Seiten emporschwangen und in der Mitte trafen, auf eine Ritterrüstung in einem Alkoven und in einen mit dunklem Holz getäfelten Raum mit alten Waffen - Bihänder, Streitäxte, Lanzen und Breitschwerter hingen in komplizierten geometrischen Mustern an den Wänden. Jessi hätte am liebsten einen Stuhl herangezogen, sie von den Wänden genommen und auf ihre Echtheit geprüft. Allerdings vermutete sie,
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