Im Zauber des Mondes
seinen Bruder und hielt ihn so im Sat-
tel. Rory führte den reiterlosen Kildare am Zügel. Mickeen ritt an der Spitze ihrer kleinen Gruppe, und gemeinsam rasten sie um ihr Leben.
»Caitlyn«, stöhnte Connor durch die Dunkelheit, die ihn zu umschlingen drohte. Der Schmerz in seinem Oberschenkel schnitt wie glühende Messer durch die Schwärze, aber noch schlimmer war der Schmerz in seinem Herzen.
»Wir können ihr jetzt nicht helfen«, sagte Cormac ihm ins Ohr, seine Stimme rauh vor Schmerz. »Dazu sind wir zu wenige. Außerdem müssen wir uns unbedingt um deine Wunde kümmern, du verlierst zuviel Blut. Wir können froh sein, wenn wir es heil bis nach Hause schaffen. Vielleicht können wir ihr später helfen, sie befreien, aber im Moment sind wir machtlos.«
»Ich werde sie nicht im Stich lassen«, murmelte Connor, dann verlor er das Bewußtsein.
Da Caitlyns Sturz ihre Verfolger aufgehalten hatte, erreichten sie ohne weitere Zwischenfälle die Farm. Kaum hatten sie den Tunnel verlassen und waren sicher im Stall angekommen, senkte Cormac vorsichtig den Körper seines Bruders zu Rory und Liam hinab, und die beiden trugen ihn in sein Zimmer. Das Bein sah schlimm aus, und er hatte ziemlich viel Blut verloren. Aber als sie bedrückt um sein Bett standen, wußten sie alle, daß, wenn ihr Bruder aufwachte, der schlimmste Schmerz in seinem Herzen sein würde.
Sie hatten mit verbissenen Gesichtern eine Viertelstunde wie fanatisch gearbeitet, bis es ihnen gelungen war, die Blutung zu stillen. Aber schließlich verebbte der Blutstrom zu einem leichten Tröpfeln und hörte dann ganz auf. Als Liam den Verband verknotete, sprach Cormac in die angespannte Stille.
»Ich werde versuchen, soviel wie möglich über Caitlyn herauszufinden.«
Liam sah ihn an, und seine Hände ruhten für einen Augenblick. »Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.«
Mickeen setzte an zu spucken, besann sich, wo er war, und verkniff es sich. »Es wird dem Mädel nichts helfen, wenn sie dich auch noch gefangennehmen.«
»Ich werde schon vorsichtig sein. Es gibt ein Pub in Naas, dort werden sie mehr wissen.«
»Ich komme mit«, meinte Rory, und die beiden verließen das Zimmer.
Als sie Stunden später zurückkamen, dämmerte es bereits. Mickeen erwartete sie im Stall, er saß auf einem umgedrehten Eimer, die Hände zwischen den Knien, den Kopf gesenkt. Als sie hereinkamen, sah er auf, das Gesicht blaß und erschöpft.
»Wie geht es Connor?« fragte Rory besorgt und sprang von Balladeer.
Mickeen stand auf und begann Balladeer das Zaumzeug abzunehmen. Wenn er sich mit etwas ablenken wollte, kümmerte er sich am liebsten um Pferde. Er hatte als Pferdeknecht angefangen, und wenn er Kummer hatte, kehrte er zu dieser Arbeit zurück.
»Seine Lordschaft ist wach, er fragt ständig nach ihr. Er - er kann sich nicht genau erinnern, was passiert ist. Er hat hohes Fieber. Liam mußte ihn am Bett festbinden, um ihn daran zu hindern, nach ihr zu suchen.«
»O mein Gott!« Müde stieg Cormac ab und band Kildare an. Er wußte, Mickeen würde froh sein, sich um ihn kümmern zu können.
»Was ist mit dem Mädchen?« fragte Mickeen.
Cormacs Augen glänzten von ungeweinten Tränen. »Sie ist tot«, sagte er leise, und seine Stimme zitterte. Er holte tief Luft. »Sie war sofort tot, haben sie gesagt, und ich habe keine Ahnung, wie wir das Connor beibringen sollen.«
Sie sagten es ihm etwas später am Tag, als sie dachten, er würde es ertragen können. Liam brachte es ihm bei. Zuerst weigerte er sich, es zu glauben. Und als er es schließlich akzeptierte, war sein Schmerzensschrei so durchdringend und klagend wie das Heulen eines Wolfs bei Vollmond.
Zurückblickend nannte Connor die Zeit, die folgte, für sich selbst immer die »Dunkelheit der Seele<.
32
Es würde ein harter Winter werden. Bereits Mitte Oktober waren die Nächte schon ziemlich kalt, und die Luft verhieß Schnee. Trotz der knisternden Feuer in den Kaminen des englischen Landhauses fröstelte ihn, als er vom Treppenabsatz aus das Geschehen im Ballsaal unter sich beobachtete.
Das Haus gehörte Marquis von Standon, einem Lebemann, der erst letzte Woche seine dritte Frau beerdigt hatte. Die Gäste waren ein buntes Gemisch dessen, was bei den Engländern wohl als Gentlemen durchgehen mochte, und bei ihren Lustbarkeiten lag die Betonung auf Lust. So konnte Connor gerade eine nicht mehr ganz nüchterne junge Frau beobachten, die auf einem Marmortisch tanzte und sich zu den lüsternen Rufen
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