Im Zauber des Mondes
glücklichsten Menschen auf Erden gehalten, ln Wirklichkeit allerdings war sie so unglücklich, wie ein Mensch überhaupt sein konnte. Sie hätte bereitwillig alles dafür gegeben, wieder mit Connor auf Donoughmore leben zu können.
Es dauerte nicht lange, und sie waren am Pantheon angelangt Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte die Fahrt ruhig doppelt soviel Zeit in Anspruch nehmen können. Sie sah diesem Ball ungefähr so freudig entgegen, als würde sie einen Zahn gezogen bekommen. Sie reihten sich in der Schlange von Kutschen vor der Oxford Street ein. Dienstboten liefen mit Laternen die Straße auf und ab, um denen den Weg zu erleuchten, die beschlossen hatten, ihre Vehikel dem Chaos zu überlassen und zu Fuß zu gehen. Caitlyn blieb, wo sie war. Sie hatte es nicht eilig, Sir Edward zu sehen, aber auch so hatten sie bald den Eingang erreicht, und ein Bediensteter war ihr beim Aussteigen behilflich.
Das Pantheon war wirklich beeindruckend. Riesige Kristallüster hingen von der gewölbten, mit Fresken verzierten Decke der Eingangshalle. Breite Marmorstufen führten zu einem enormen rechteckigen Ballsaal, von dem unzählige Salons, Alkoven und abgeteilte Sitzecken abzweigten. Am anderen Ende spielte auf einer erhöhten Plattform eine Kapelle.
Obwohl es eigentlich noch früh am Abend war, drängten die Gäste sich durch die Räume. Es war eine bunt gemischte Gesellschaft, und gut die Hälfte der Anwesenden war maskiert. Für die Mitglieder der oberen Gesellschaftsschicht galt es als gewagt, an den Festen im Pantheon teilzunehmen. Hier stand man Schulter an Schulter mit wirklich jedermann; junge Burschen, die eben erst vom Land in die Stadt gekommen waren, Abenteurer, Gauner, Geldhaie, die versuchten, junge unachtsame Männer in ihre Spieleretablissements zu locken - alles war hier vertreten.
Ein weiterer Dienstbote schien Caitlyn bereits erwartet zu haben, denn er eilte auf sie zu und führte sie zu dem Salon, in dem Sir Edward mit seinen Freunden saß. Als sie Sir Edward erblickte, blieb sie etwas zurück, denn Übelkeit und Abscheu, die sie überkamen, waren so stark, daß sie sie kaum verbergen konnte.
Sir Edward drehte sich um und sah sie stehen, und sie gesellte sich zu ihm. Er musterte sie kritisch, als sie näher kam. Seine Abendgarderobe bestand aus matt goldfarbenem Satin, und sie wußte, daß er für sie die smaragdgrüne Seide mit einem Auge auf das Bild, das sie zusammen abgeben würden, gewählt hatte. Sie mußte zugeben, daß sie Sir Edward, hätte sie ihn nicht so gut gekannt, durchaus für einen anziehenden Mann gehalten hätte. Aber sie kannte die Grausamkeit und Gemeinheit, die zu den Grundzügen seines Charakters gehörten, und als er einen Arm ausstreckte und sie näher zog, mußte sie ein Schaudern unterdrücken. Seine Augen trafen ihre und blitzten auf. Er genoß es, daß sie ihn haßte, aber hilflos war und nichts dagegen tun konnte. Es gab ihm ein Gefühl von Macht. Er hielt ihrem Blick stand, als er den Kopf senkte und ihr einen lüsternen Kuß auf den Mund drückte. Sie wußte, daß er das hauptsächlich wegen seiner Freunde tat, aber sie mußte sich zusammenreißen, um nicht zurückzuzucken.
»Du kommst spät«, sagte er leise. Auch wenn sein Ton mild klang, wußte sie, daß sie sein Mißfallen erregt hatte. Ihre Pupillen verengten sich, aber sie versuchte instinktiv, ihre Furcht nicht zu zeigen.
»Es tut mir leid«, brachte sie heraus und war erleichtert, als er sich abwandte, um ihr die Gäste vorzustellen, die sie noch nicht kannte. Außer ihr und Sir Edward waren noch drei Paare in dem kleinen Salon. Die Gentlemen gehörten offensichtlich ebenfalls zur oberen Gesellschaftsschicht, die Frauen in ihrer Begleitung waren vom Covent-Garden-Typ. Ihre Kleidung hatte einzig den Zweck, den Männern, die ihr tägliches Brot -und nicht nur das - beschafften, zu gefallen. Mit Sittlichkeit hatte das - wie auch ihre eigene Kleidung - kaum was zu tun. Ihre Namen lauteten Yvette, Suzanne und Mimmi, und wenn sie auch nur einen Tropfen französischen Bluts in den Adern hatten, war Caitlyn die Königin von England. Sie setzte sich, um mit ihnen am Essen teilzunehmen, und obwohl sie sich aus Angst vor Sir Edward alle Mühe gab, in ihr fröhliches Geplapper mit einzustimmen, fiel es ihr heute abend besonders schwer. Als sie das Essen beendet hatten und einzelne Paare begannen, auf die Tanzfläche abzuwandern, war sie erleichtert. Jetzt, wo sie nicht mehr so direkt unter Sir Edwards Aufsicht stand,
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