Im Zauber des Mondes
vom Mund zur Nase. Plötzlich wurde ihr klar, daß Rorys Verletzung auch Connor weh tat, mehr, als sie es für möglich gehalten hätte.
»Was habt ihr gemacht? Warum wurde Rory angeschossen?« flüsterte sie, unfähig, die Frage zurückzuhalten. Connors Augen fuhren über ihr Gesicht, und sie wußte, daß er ihr nichts sagen würde.
»Du weißt schon mehr, als du wissen solltest. Du hättest im Haus bleiben sollen.« Seine Stimme war rauh, die Augen glühten, und die rastlose Energie in ihnen war erschreckend. »Ich gebe dir einen guten Rat, Caitlyn: Steck deine Nase nicht in Angelegenheiten, die dich nichts angehen!«
Damit drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand. Caitlyn starrte ihm nach. Einen Moment lang lauschte sie noch seinen Schritten auf der Treppe, dann bewegte sich Rory unruhig, und sie wandte ihm ihre Aufmerksamkeit zu. In ihrem
Kopf kreisten viele Fragen, auf die sie keine zufriedenstellenden Antworten fand.
12
Im Stall waren sie mit der Arbeit schon fast fertig, als Connor kam. Das Stroh war wieder über die Tür im Boden gekehrt, und niemand hätte dort etwas vermutet. Die Beute hatten sie aufgeteilt. Fharannain war noch gesattelt, und Cormac und Liam befestigten gerade die Säcke am Sattel. Mickeen packte den Rest ihres Raubs in eine Eisenkassette, die im Stall versteckt blieb.
Als er hereinkam, blickten Liam und Cormac gespannt auf. Connor erlaubte sich einen kurzen Moment des Stolzes. Was immer er sonst getan haben mochte, seine Brüder hatte er gut erzogen. Sie sorgten sich wirklich umeinander, genau, wie es in einer Familie sein sollte.
»Rory?« fragte Cormac leise, als Connor näher kam.
»Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Es wird nichts Zurückbleiben.«
Liam und Cormac sahen erleichtert aus. Mickeen, der gerade die Kassette zu ihrem Platz trug, blieb stehen und sagte über die Schulter: »Aye, und habe ich euch nicht gesagt, daß nur die Guten jung sterben? Rory wird wohl ein ziemlich langes Leben führen!«
Die drei d'Arcys grinsten. Mickeen mochte Rory genauso gerne wie sie. Der alte Pferdeknecht war schon von Anfang an bei ihnen gewesen. Er würde, ohne zu zögern, sein Leben für sie geben.
»Was ist mit Caitlyn?« fragte Cormac. »Hast du . . . hast du ihr irgendwas gesagt?«
»Nein, und ihr werdet ihr auch nichts sagen. Nicht daß ich ihr nicht trauen würde, aber je weniger Leute die Wahrheit wissen, um so besser.« Er trieb sein Pferd an und riet ihnen noch: »Ihr geht jetzt besser ins Haus und legt euch hin. Eure Arbeit ist getan.«
Dann war er draußen in der regengepeitschten Dunkelheit, und er lenkte Fharannain über die Hügel in Richtung Navan. Glücklicherweise kannte er den Weg fast Stein für Stein, genau wie das große schwarze Tier unter ihm. Fharannain sprang geschickt über Zäune und Bäche, die sie beide kaum sehen konnten. Connors Gedanken begannen zu wandern.
Rory war angeschossen worden. Zum erstenmal, seit sie ihre gemeinsamen Unternehmungen machten, war einer seiner Brüder verletzt worden. Vielleicht sollte er aufhören, solange noch niemand ernsthaft zu Schaden gekommen war. Seine Brüder waren ihm das Wichtigste auf der Welt. In der Nacht seines Todes hatte sein Vater sie seiner Obhut übergeben, und er war dem Versprechen, das er damals geleistet hatte, treu geblieben.
Die erste Zeit war nicht leicht gewesen, mit nichts außer dem Land und dem wenigen, das sie aus den Ruinen hatten retten können. Connor war damals zwölf Jahre alt gewesen, und plötzlich hatte er die Verantwortung für seine drei kleinen Brüder gehabt, ganz zu schweigen von den Landarbeitern, die auf und von Donoughmore gelebt hatten und die sich jetzt mühsam durchschlagen mußten. Er hatte Mickeen nach Dublin geschickt, um die wenigen Wertgegenstände, die ihnen noch verblieben waren, zu verkaufen. Aber wenn alles verkauft war, woher sollte dann Geld kommen?
Er war nach Dublin gefahren und hatte schnell herausgefunden, daß es für ihn nur zwei Möglichkeiten gab, Geld zu beschaffen: Zu stehlen oder seinen Körper zu verkaufen. Also stahl er. Die nächsten zwei Jahre hatte er zum Großteil in Dublin verbracht, während Mickeen sich um seine Brüder und die Farm gekümmert hatte. Er hatte alles gestohlen, was man nur irgendwie zu Geld machen konnte, und er hatte es tatsächlich geschafft, damit seine Brüder zu ernähren und die Farm zu erhalten. Während all dieser Zeit brannte die Wut in ihm. Rechtmäßig hätte er, der Earl von Iveneagh, ein Vermögen
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