Im Zauberbann der Liebe: Roman (German Edition)
Hauptstraße. Bei dem vertrauten Anblick wurde Jack ein wenig leichter ums Herz. Gleich daneben stand das Pfarrhaus, ein weitläufiges, aus grauem Yorkshire-Stein errichtetes Gebäude. Wie viele Unterrichtsstunden hatte Jack im Arbeitszimmer des Vikars erhalten? Hunderte, und sie waren einige der besten seiner Kindheit gewesen, obwohl er sich damals bitterlich darüber beklagt hatte, sich mit Latein, Griechisch und Philosophie befassen zu müssen.
Als sie aus der Kutsche stiegen, sagte Abby: »Die Frau des Vikars ist eine gute Gärtnerin. Ihre Narzissen und Krokusse blühen, und an mehreren Bäumen sprießen bereits Blätter.«
»Hier ist alles viel gesünder als auf dem Besitz«, stimmte Jack ihr zu, während er an der Tür klopfte. »Mrs. Willard war eine leidenschaftliche Gärtnerin, aber sie ist vor einigen Jahren verstorben. Sie war eine reizende Frau, die immer Ingwerkuchen oder ein paar Kekse für einen hungrigen Studenten der Klassiker bereithielt.«
Die Tür wurde von einem zierlichen Dienstmädchen geöffnet, das große Augen machte, als es sah, dass die Besucher Adelige waren. »Sir? Madam?«
»Lord und Lady Frayne würden gerne Mr. Willard sehen. Ist er zu Hause?«
Das Mädchen führte sie ins Wohnzimmer und ging dann, um den Vikar zu holen. Jack wurde ganz warm ums Herz vor Freude, als Mr. Willards hochgewachsene, schlanke Gestalt in der Tür erschien. Er sah ganz und gar wie ein Vikar aus, doch hinter seiner sanftmütigen geistlichen Erscheinung verbargen sich ein scharfer Verstand und trockener Humor.
Willard lächelte seine Besucher an, und seine Aura war die klare, goldene der Spiritualität. »Jack! Oder vielmehr Lord Frayne. Was für eine Freude, Euch wiederzusehen.«
»Mr. Willard!« Jack durchquerte den Raum und ergriff die Hände des Vikars. »Hier hat sich so viel verändert. Wie gut, dass das auf Euch nicht zutrifft.« Er grinste. »Ihr werdet erfreut sein zu hören, dass das Latein, das Ihr diesem einst so widerwilligen Schüler eingepaukt habt, sich als nützlich erwiesen hat. Ihr werdet es kaum glauben, aber ich habe Cäsar, Cicero und andere römische Dichter gelesen, während ich im Krieg in Spanien war.«
»Und habt Ihr auch die alten Griechen studiert?«, fragte der Vikar interessiert.
»Gebt Euch mit Eurem Erfolg in Latein zufrieden.« Jack winkte Abby zu sich heran. »Meine Frau ist schon ganz gespannt darauf, Euch kennenzulernen.«
Er wurde besser darin, Energie zu deuten; als er Abby und Mr. Willard einander vorstellte, war nicht zu übersehen, dass sie verwandte Seelen waren. Mr. Willards graue Augen leuchteten auf, als er ihren Blick erwiderte. »Endlich seid Ihr gekommen. Willkommen in Langdale, Lady Frayne.«
»Endlich?«, fragte sie verwundert. »Könnt Ihr etwa in die Zukunft schauen?«
»Ich habe ein paar hellseherische Fähigkeiten. Für gewöhnlich sind sie eher lästig.« Er bedeutete ihnen, auf dem Sofa Platz zu nehmen. »Aber seit einiger Zeit hatte ich das Empfinden, dass möglicherweise Rettung für Langdale naht und es zwei Menschen erfordern wird, um sie herbeizuführen.«
»Also besteht noch Hoffnung.« Froh, dass sie keine Zeit mit gesellschaftlichen Artigkeiten zu verschwenden brauchten, beugte Jack sich vor. »Berichtet mir, was hier geschehen ist.«
Der Vikar warf eine Schaufel Kohle auf das Feuer. »Der Verfall begann mit der Wiederverheiratung Eurer Mutter. Sowie Scranton in Langdale Hall eingezogen war, fing der Besitz an zu verfallen. Viele Pächter und Angestellte gingen, obwohl gute Arbeit hier fast nicht zu finden ist. Diejenigen, die blieben, wurden griesgrämig und misstrauisch.« Mr. Willard setzte sich seinen Gästen gegenüber. »Eure Mutter hat sich am meisten verändert.«
»Ja, sie ist ganz anders als früher«, stimmte Jack ihm zu. »Ist der Besitz mit einem Fluch belegt worden?«
»Das glaube ich nicht.« Der Vikar legte die Stirn in Falten. »Aber ich glaube, Eure Mutter ist verhext worden. Ich kenne sie schon sehr, sehr lange. Die Frau, die im Herrenhaus lebt, ist wie eine vereiste, glitzernde Kopie von ihr. Der Charme und die Liebenswürdigkeit, die Lady Helen früher immer ausgezeichnet haben, sind nach und nach verschwunden.« Er sprach, als wäre eine liebe alte Freundin verstorben.
Das Gespräch wurde vorübergehend unterbrochen, als das Dienstmädchen ein Tablett mit Tee und Kuchen hereinbrachte. Als es sich wieder zurückgezogen hatte, fragte Abby: »Mr. Willard, hat sonst noch jemand mit magischen Fähigkeiten die
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