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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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restauriert worden und gehörte, wie mir der Hotelbesitzer erzählt hatte, inzwischen zu den schönsten von ganz Sachsen-Anhalt.
    »Brummer. Sagt dir der Name etwas?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Brummer gehörte der ›Schwarze Adler‹, in dem wir heute waren. Er setzte sich in den Westen ab, doch es gingen Gerüchte um, dass die Sache nicht koscher war. Normalerweise räumten sie die Häuser ein, zwei Tage später. Brummers Hotel
war eine Woche lang geschlossen, bevor sie es räumten und alles konfiszierten. Das nannte man ›verstaatlichen‹. Doch als sie kamen, war die gesamte Privatwohnung leer geräumt, und ein Teil des Hotelsilbers, Wäsche und so weiter fehlte. Das Besondere daran war: An dem Tag kam Meinhard nicht zur Arbeit.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Er hat sich abgesetzt?«
    »Du weißt, dass es den Weinberg-Altar von Lucas Cranach d. J. in der Marienkirche gibt?«
    Ich nickte. Das wussten wir seit unserer Kindheit. Ein Triptychon, um das sich nie jemand besonders gekümmert hatte. So war das eben mit der vielgeliebten Kultur. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir nur einmal während unserer Schulzeit zu diesem Altar gegangen sind, der immerhin von einem der bedeutendsten Renaissanceporträtisten geschaffen worden war.
    »Wusstest du auch, dass es damals zwei Cranach-Bilder in Brummers Privatbesitz gegeben haben soll? Die wurden da aber nicht gefunden. Komisch, oder? Wo doch alle Flüchtlinge nur mit einem Koffer über die grüne Grenze abhauten.«
    »Rena«, sagte Martin. »Mach es kurz.«
    »Ist ja gut«, sagte Rena. »Ich will ja nur, dass sie es versteht, wenn wir hier schon mal alles auf den Tisch packen.«
    »Meinhard Laufer«, sagte Martin auf einmal ganz ruhig und schlug das Fotoalbum auf. Er wies auf ein Foto. Es zeigte Rena und einen jungen Mann, der mir bekannt vorkam, auch wenn ich im ersten Moment nicht wusste woher. Ich hatte auch keine Zeit, darüber nachzudenken, denn Martin sprach schon weiter.
    »Laufer hatte Zugang zu allem und Kontakte zu jedem, was auch kein Wunder war. Die Sachen aus den so genannten Enteignungen, die konnte man damals kaufen, und wer gute Kontakte zu Laufer hatte, der konnte schon das eine oder andere Stück zu einem besonders guten Preis vor dem offiziellen Verkauf haben. Laufer war ziemlich privilegiert, und er konfiszierte auch die Konten von denen, die abgehauen waren.«
    Rena nickte.

    »Also ein paar Tage nachdem sich Brummer in den Westen abgesetzt hatte, hat sich auch Meinhard Laufer in den Westen abgesetzt. Man geht davon aus, dass er die beiden Cranach-Bilder mitgenommen und drüben verscherbelt hat.«
    Mir stockte der Atem, und ich hatte das kindische Bedürfnis, mich zu kneifen. Ich kannte zwei Leute, die einen Cranach d. J. in ihrem Büro hängen hatten.
    »Waren das Porträts?«, fragte ich.
    »So ist es«, sagte Martin.
    »Woher weißt du das?«, fragte ich.
    »Meine Mutter putzte damals bei Brummers«, erwiderte Martin. »Als ich noch klein war, begleitete ich sie manchmal. Irgendwann zeigte sie mir eben mal die Bilder und sagte, dass die ganz alt und echt wären. Ein Mann und eine Frau. Die Frau in einem tief blauen Samtkleid, er mit einem Barett und einer weinroten Samtjacke.«
    Ich kannte die Bilder, und noch dazu alle beide. Schlagartig wurde mir klar, in welcher Beziehung die Besitzer zueinander standen.
    »Können die beiden auch gemeinsame Sache gemacht haben?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte Rena. »Das denken sogar viele von damals. Brummer soll Laufer bestochen haben, und beide haben gemeinsame Sache gemacht.«
    »Weshalb war Brummer eigentlich nicht im Krieg?«
    »Brummer?«, fragte Rena, und man sah ihr an, dass die Frage sie durcheinanderbrachte. »Brummer belieferte die Wehrmacht mit Rucksäcken und die Offiziere mit Koffern. Brummer war nicht abkömmlich.«
    »Rena, jetzt sei doch mal sachlich.«
    »Brummer war am Ende des Krieges Mitte siebzig«, sagte Rena. »Er hatte zwei Söhne. Einer fiel an der Ostfront, der andere war in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Und er hatte zwei Töchter, die sich schon 1947 in den Westen absetzten. Er
gab die Villa auf, kurz nachdem seine Frau gestorben war. Er hat sie hier nur noch begraben, dann ist er auch rüber.«
    »Aber weshalb soll Laufer abgehauen sein? Er war Kommunist, hat Rauh erzählt«, sagte ich.
    »Das mag sein«, sagte Rena. »Er war vor allem ein Überläufer. Erst lief er zu den Russen über, als abzusehen war, dass die siegen. Dann haute er in den Westen ab, als abzusehen

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