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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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sie immer noch gelacht. Dann hat sie ihn gelassen.«

    Ich ließ die Sätze auf mich wirken. »Du hasst meine Mutter, weil sie dir das Leben gerettet hat?«, fragte ich schließlich.
    »Nein«, sagte Rena und zog die Brauen hoch. »Ich verachte deine Mutter, weil sie uns in diese Situation gebracht hat und noch dazu jedem Unglück brachte, der ihr zu nahe kam. Weißt du, weshalb dein Vater und Johann Paulsen verschwanden?«
    Ich nickte. »Rauh hat es mir gesagt. Es war Meinhard.«
    »Genau«, sagte Rena und zog etwas zu hektisch an der Zigarette. »Solange er die Macht hatte, ließ Meinhard jeden verschwinden, der deiner Mutter zu nahe kam.«
    »Weshalb?«, fragte ich. »Meine Mutter war doch gar nicht mit ihm zusammen. Sondern du.«
    Rena warf den Kopf in den Nacken und brach in ein lautes, hysterisches Gelächter aus. Martin legte seine Hand auf ihre.
    »Rena«, sagte er leise und so sanft, als wollte er ein nervöses Pferd beruhigen, das dabei war durchzugehen.
    »Meinhard war meine erste Liebe.«
    »Ihre Erste-Klasse-Liebe«, sagte Martin und lächelte.
    »Na und?«, fragte Rena schnippisch. »Ich war sieben Jahre alt, und er war fünfzehn. Er und Johann Paulsen gingen in die achte Klasse. Aber ich habe ihn schon am ersten Schultag unter allen Kindern gesehen und war wie paralysiert. Ich wusste genau, dass dieser Junge und ich füreinander bestimmt waren …« Ihre Stimme hing in der Luft. Ich wusste, worüber sie sprach, und in diesem Moment schien es mir, als gäbe es in jedem Menschen etwas, das ihn mit allen anderen verband. Egal, wie viel Abneigung oder Hass sie sonst trennte, egal, ob sie reich oder arm, alt oder jung waren: Ein jeder sucht nach der einen großen, wahren, romantischen Liebe, und ein jeder leidet, wenn sie ihm verweigert wird.
    Ich warf einen Blick auf Martin, der nur Augen für seine Frau hatte. Es war ein schutzloser Blick, der alles offenbarte, was man über ihn und diese Ehe wissen musste. Er liebte sie mehr, als sie ihn je geliebt hatte, und er würde ihr alles verzeihen.
Als ich das erkannte, sah auch ich in Rena zum ersten Mal das, was er in ihr schon immer gesehen hatte. Er sah nicht die verbitterte, vom Leben enttäuschte Frau, die Kai und mich genervt hatte. Er sah nicht ihr herbes Gesicht und den hageren Körper. Er sah in ihr die Siebenjährige, die sich in aller Unschuld nach dem großen, fernen Jungen verzehrte, den sie nie würde haben können. Jetzt verstand ich, was sie so verbittert hatte. Meine Mutter Marlene, ihre beste Freundin, das Mädchen, dem sie am meisten vertraut hatte, hatte sich über sie lustig gemacht und ihr gezeigt, dass sie nichts wert war und dass dieser Junge, den sie liebte, alles wollte, nur nicht sie.
    »Was ist passiert?«, fragte ich.
    »Wir waren in der Tanzschule. Meinhard war mein Tanzstundenherr, nicht ihrer. Doch sie konnte es nicht lassen. Sie war mit Johann zusammen und flirtete mit Meinhard. Sie verdrehte ihm so den Kopf, dass er völlig verrückt wurde, als sie sich mit Johann verlobte. Dabei gab ich ihm alles, was ich nur konnte.«
    »Und mein Vater?«, fragte ich und fühlte mich ganz hilflos bei dieser Beichte.
    »Den ließ sie doch schon vorher fallen wie eine heiße Kartoffel. Der kam nicht in die Tanzstunde. Der war nicht in der Lage, sie zu sehen. Als sie sich von ihm trennte, kam er ins Krankenhaus. Die Ärzte dachten, er hätte eine Blinddarmentzündung. Aber die hatte er nicht. Das war alles psychisch, würde man heute sagen. Dein Vater, der war auch so einer, den sie in ihren Klauen hatte und mit dem sie spielte. Sie spielte ja immer mit allen. Und als sie keine Lust mehr auf ihn hatte, hat sie ihn abserviert. Dann kamen andere, und schließlich Johann und Meinhard.«
    »Und Meinhard hat Johann denunziert?«
    Rena nickte.
    »Du hast es gewusst«, fragte ich überrascht, »und nichts unternommen?«
    »Meine Güte, Clara. Das waren andere Zeiten als heute.«

    »Wusstest du auch, dass Meinhard meinen Vater denunziert hat?«
    »Nein«, sagte Martin, doch das Nein kam zu schnell. Rena warf ihm einen Blick zu.
    »Soll sie es doch wissen«, sagte sie. »Ich wusste es nicht. Aber ich ahnte es. Als Johann weg war, dachte Meinhard, jetzt hätte er Marlene sicher. Er hat mit mir Schluss gemacht, der Idiot. Aber sie traf sich bereits wieder mit deinem Vater. Und dein Vater, der Trottel …«
    »Rena«, sagte Martin, »sprich nicht so.«
    »Ach, ist doch wahr. Sie schnippte mit den Fingern, und er stand Gewehr bei Fuß, als wartete er nur

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