Im Zeichen der Angst Roman
außerdem ihren Ranzen und ihre Kleidung im Turm. Sie allein, niemand anders. Das besagen die Spuren und Fingerabdrücke im Turm. Mit allem Respekt für Ihre Trauer um Ihre Mutter, bedeutet das in unseren Augen, dass sie der führende Kopf der Entführung war. Wir kennen die Motive nicht, doch wir gehen davon aus, dass sie Komplizen hatte und dass sie ein Abkommen hatten, das Geld ruhen zu lassen, was nicht ungewöhnlich ist. Nur hat Ihre Mutter sich nicht daran gehalten, denn es waren nur noch anderthalb Millionen auf den Konten. So liegt die Vermutung nahe, dass sie versucht hat, ihre Komplizen zu übervorteilen. Wir gehen davon aus, dass sie deshalb ermordet wurde und dass Ihre Tochter entführt wurde, um das Geld zurückzubekommen.«
Er schwieg einen Moment.
Seine Ausführungen klangen logisch, und wenngleich sich alles in mir dagegen sträubte, konnte ich nicht anders, als das anzuerkennen.
»Nachdem Christine Metternich sich umgebracht hat …«, fuhr er dann fort.
»Steht das wirklich fest?«, unterbrach ich ihn.
»Ja«, sagte er. »Zweifellos starb sie ohne Fremdeinwirkung. Bevor sie sich erhängte, nahm sie zur Sicherheit eine Überdosis Barbiturate ein, gemischt mit mindestens einer halben Flasche Whiskey. Das ergaben die Blutuntersuchung und der Mageninhalt. Nur glauben wir nicht, dass sie sich zufällig an diesem Abend umgebracht hat. Wir glauben, dass sie etwas über die Entführungen wusste.«
Es war an mir zu nicken. »In einem der Anrufe haben die neuen Entführer sich quasi als die alten zu erkennen gegeben«, sagte ich zögernd. »Sie sagten, Johanna sei krank gewesen und dass sie deshalb starb.«
In Groß’ Augen blitzte etwas auf, das Zorn sein konnte, doch er hatte sich gut im Griff. »Sehen Sie, es gibt einen Zusammenhang zwischen den anderthalb Millionen auf den Konten Ihrer Mutter und Johannas und Joseys Entführung. Wir haben das Haus von Christine Metternich inzwischen übrigens durchsucht.«
»Haben Sie etwas gefunden?«
»Noch nicht«, sagte er.
»Halten Sie mich auf dem Laufenden?«, fragte ich.
»Selbstverständlich«, sagte Groß. »Nehmen Sie mich dafür nun mit nach Hamburg zurück?«
»Fahren Sie mit David und Hazel.«
Groß öffnete den Mund, um etwas zu erwidern.
Ich kam ihm zuvor. »Nein, ich nehme Sie nicht mit. Ich muss allein sein, bitte.«
Ich hatte David die ganze Zeit ignoriert. Als ich jetzt zu ihm sah, schaute er unschlüssig. Dann bat er die Bedienung, ihm die Rechnung zu bringen, und ich erhob mich ohne ein weiteres Wort und ging eilig durch das Foyer.
»Warte auf mich«, rief David.
»Das können Sie nicht machen«, hörte ich Groß’ Stimme hinter mir.
Groß war doch ganz okay, dachte ich. Aber ich konnte jetzt niemanden um mich haben und schon gar nicht zwei Stunden lang in einem Auto, in dem keiner dem anderen entkam.
In der Schwingtür der Lobby drehte ich mich noch einmal um. Groß war mir gefolgt und nur ein paar Schritte hinter mir. Auch David kam hinterher.
»Wusste Renner von den Straßensperren?«, fragte ich etwas zu laut.
»Was soll das denn?«, fragte Groß.
»Denken Sie drüber nach«, sagte ich, als er vor mir stand. »Er hat ein Interesse daran, dass niemand die wahren Entführer findet. Er wäre bis auf die Knochen blamiert. Fragen Sie auch, ob Renner in den letzten Monaten jemanden im Landeskriminalamt besucht hat.«
»Sie denken, Renner weiß mehr, als er sagt?«, fragte Groß fast hilflos.
Ich ignorierte ihn und zog David am Arm zur Seite. Groß runzelte die Stirn, machte aber keine Anstalten, uns zu folgen.
»Ich muss mit deinem Vater sprechen«, flüsterte ich. »Informier ihn, dass ich ihn noch heute Nacht sprechen will.« Ich sah auf die Uhr. Sein Vater ging nie vor ein Uhr ins Bett.
»Das wäre weit nach zwei«, sagte David zögernd.
Ich nickte. »So ist es. Ich will wissen, weshalb er mich beschatten ließ.«
»Es wäre besser, wenn wir es auf morgen verschieben.«
»Nein«, sagte ich bestimmt. »Auf keinen Fall. Ich will so schnell wie möglich mit ihm reden.«
»Das hat doch Zeit, Clara. Er ist schon lange nicht mehr so fit wie früher.«
»Es muss sein«, sagte ich bestimmt.
David musterte mich aufmerksam. »Warum? Du weißt doch etwas.«
Ich wich seinem Blick aus und sah nach unten auf meine Fußspitzen. Ich fühlte mich unwohl. »Das geht dich nichts an«, sagte ich trotzdem ungerührt.
Er schluckte. »Ich dachte, wir sind ein Team.«
Ich drehte mich um und rannte aus dem Foyer.
31
Ich fuhr durch
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