Im Zeichen der Angst Roman
schaffte es, mein Handy hervorzukramen. Ich scrollte den Ordner mit den entgangenen Anrufen und den mit den Mitteilungen hinunter. Nichts, kein Anruf und auch keine SMS von Claus. Ich verstand das nicht. Er
wusste, dass ich in Schwierigkeiten war. Ich fragte mich, weshalb mein bester Freund aus dem Hotel verschwunden war und mich bislang nicht angerufen hatte, um sich zu erkundigen, wie es mir oder Josey ging. Es war nicht seine Art.
Ich drückte die Kurzwahltaste mit seiner Handynummer. Niemand nahm ab. Ich versuchte es auf dem Festnetz. Fehlanzeige. Ich schaltete das Radio aus, wartete, bis sich der Anruf beantworter einschaltete und hinterließ eine Nachricht, dass er mich dringend zurückrufen sollte und ich noch in dieser Nacht mit Peter Plotzer sprechen würde.
Ich war mir sicher, dass ihn der Name elektrisieren würde, egal, wo er gerade war.
Ich starrte aus dem Fenster. Ich musste zusehen, dass ich nach Hamburg zurückkam. Ich knipste das Leselicht wieder aus, startete den Wagen, setzte den Blinker, obwohl weit und breit kein Auto zu sehen war, und fuhr los.
Obgleich es inzwischen spät war, versuchte ich immer wieder, Claus zu erreichen. Ich gab die Kurzwahl ein und lauschte dem Freizeichen. Fünfmal, sechsmal …
Endlich ging er ran. Seine Stimme klang verschlafen, als er sich meldete.
»Meine Güte«, sagte ich. »Wo warst du denn die ganze Zeit?«
»Du klingst ja wie meine eifersüchtige Freundin.«
»Ich bin deine Freundin«, sagte ich. »Und ich versuche dich seit einer Stunde anzurufen, aber du warst nicht da, und man hat Josey entführt.« Ich weinte schon wieder. Ich konnte nichts dagegen tun.
»Ich weiß, Clara. Ich war ja dabei«, sagte Claus. »Es tut mir so leid.«
»Wieso hast du nicht auf mich gewartet? Wieso bist du ohne mich nach Hamburg zurückgefahren? Wo warst du die ganze Zeit?«
»Der Notarzt kam«, sagte Claus. »Ich konnte nichts mehr tun.«
»Josey war mit dir zur Toilette gegangen.«
»Clara«, sagte Claus, »ich hab sie hingebracht und war dann auf der Herrentoilette. Ich habe nicht auf sie gewartet. Wir waren in einem Kleinstadthotel. Da verläuft man sich nicht von der einzigen Treppe nach oben direkt ins Foyer. Doch das hab ich alles schon der Polizei erzählt.«
»Aber dort ist es geschehen«, sagte ich und starrte in den Schnee. Ich dachte kurz darüber nach, was mein Schwiegervater über Claus gesagt hatte, doch ich schob den Gedanken beiseite. Claus war seit der Kindheit mein Freund, und ich konnte unmöglich meinem besten Freund misstrauen. Das ging einfach nicht.
»Du musst mir einen Gefallen tun«, sagte ich.
»Okay.«
»Ein Provinzreporter war im Krankenhaus. Krieg raus, von welchem Blatt er war und mach seinem Chef klar, dass du die Exklusivrechte an der Story hast und ihn einbindest, wenn es so weit ist. Lass ihn wissen, dass das allerdings nur funktioniert, wenn er sofort seinen Kollegen zurückpfeift und nichts darüber in der Zeitung erscheint.«
»Kein Problem«, sagte Claus. »Und dafür hast du mir gerade die Rechte übertragen?«
»Nur dir persönlich«, sagte ich. »Sorg dafür, dass kein anderer sich an die Geschichte setzt.«
»Auch kein Problem.«
»Außerdem will ich alles über Renner wissen. Wann geboren, welche Ausbildung, welche Frauen, welche Förderer, so es welche gibt. Welches waren die letzten Fälle, an denen er arbeitete? Wie erfolgreich? Warum musste er in den Vorruhestand?«
Claus wusste genau, welche Rolle Renner in meinem Leben gespielt hatte, doch er fragte nicht, weshalb ich das alles wissen wollte. Es war etwas, das ich an ihm liebte. Er wusste immer genau, wann es besser war, mir nicht allzu viele Fragen zu stellen.
»Gut«, sagte er. »Das dürfte ebenfalls kein Problem sein.«
»Setz jemanden im Archiv an. Da war etwas bei seiner Suspendierung. Irgendeine Auszeichnung. Wir hatten eine Meldung im Lokalteil. Es gibt sicherlich noch mehr. Nutz deine Kontakte, du hast doch welche ins Landeskriminalamt, bitte. Ich weiß es.«
»Hm«, murmelte Claus.
»Außerdem brauche ich alles über einen Zusammenhang zwischen Peter Plotzer und Christian Schiller.«
»Das wird schwieriger«, sagte Claus, die Stimme abwehrend und hart. »Es geht jedenfalls nicht so schnell.«
»Es wird gehen«, sagte ich bestimmt. »Es muss gehen. Ich will wissen, welche Verbindung es zwischen ihnen gibt, woher es sie gibt und seit wann. Denn dass es eine gibt, ist unbestritten, sonst hätte Schiller uns 1995 nicht gestoppt und das Dossier nicht
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