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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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beunruhigte mich nicht, und Mankiewisc und Groß zweifelten ebenso wenig. Ich hatte nur bestätigt, was sie sich ohnehin gedacht hatten. Sie hatten mir erklärt, dass ihr Bild in der Zeitung veröffentlicht würde. Vielleicht kämen sie so auf eine Spur. Vielmehr konnten sie nicht tun. Es hätte keinen Sinn, Hotels abzuklappern und ihr Foto vorzulegen. Dazu bräuchten sie eine Hundertschaft an Polizisten, und es war nicht einmal gesagt, dass sie nicht doch bei irgendjemandem gewohnt hatte. Sie sagten außerdem, dass nicht auszuschließen sei, dass es sich um einen Raubmord handelte.
Meine Mutter hatte kein Portemonnaie und kein Bargeld bei sich gehabt. Der Führerschein hätte in der Außentasche der Handtasche gesteckt.
    Ich zweifelte an der Raubmord-Theorie. Der Schusskanal bewies, dass sie gesessen hatte. Und da sie laut Dr. Umlandt keine Spuren von Gewalt aufwies, war es durchaus denkbar, dass sie den Täter gekannt und ihm vertraut hatte. Außerdem hätte ein Raubmörder sicherlich Kette, Uhr und Handy mitgenommen. Mankiewisc hielt dagegen, dass eine ausländische Gang mit professionellen Tätern sie auf einer Bank im Park hätte überfallen und ausrauben können. Das erinnerte mich an eine Mordserie zwei Jahre zuvor in Mannheim. Eine osteuropäische Gang aus ehemaligen Jugoslawien-Kämpfern hatte dort innerhalb eines halben Jahres 23 alte Frauen in ihren Wohnungen erschossen und ausgeraubt. Nie den Schmuck, immer nur das Bargeld. Ich hatte den Fall als Reporterin verfolgt und ein paar Artikel darüber geschrieben. Die Mordserie hatte in ganz Deutschland eine Panik unter älteren Frauen ausgelöst. Gegen diese Theorie sprach, dass es keine weiteren Opfer gab. Ich konnte mir eine Menge vorstellen, doch es erschien mir unvorstellbar, dass meine Mutter das Zufallsopfer eines Raubmordes geworden sein sollte.
    Die beiden Kommissare hatten mir versichert, dass sie sich melden würden, sobald sie etwas Neues erfahren hätten. Und ich sollte in der Stadt bleiben. Unbedingt. Es könnte sein, dass sie noch Fragen an mich hätten. In meinen Ohren klang das wie eine Drohung, auch wenn Groß versicherte, es sei reine Routine. Ich glaubte ihm nicht.
    Ich wusste nicht, was ich überhaupt glauben sollte. Ich wusste auch nicht, was ich fühlte. Trauer? Ich verspürte keine. Wut? Ich fand keine. Überraschung, dass ich meine Mutter gefunden hatte, obwohl ich sie nicht gesucht hatte? Ich hatte keine Antwort. Ich fühlte mich benommen und eher so, als hätten meine Gefühle automatisch auf Halbmast geflaggt, ohne zu wissen, worum es eigentlich ging.

    Während ich in meinem Kaffee rührte, näherte sich das Boot mit einer Geschwindigkeit, die mich erstaunte. Es war ein Katamaran, der an diesem Mittag den wohl letzten Segeltörn vor der Winterpause unternahm. Ein Mann in dunkelblauer Wetterjacke und mit einem blauen Käppi saß auf einer der Kufen, den Oberkörper weit auf das Wasser hinausgelehnt und die Segelleine fest in der Hand. Gischt spritzte auf und hinterließ weiße, schaumumkronte Wellen, die mich an die dicken Locken meiner Mutter erinnerten. Immer, wenn sie feucht waren, kräuselten sie sich zu Dutzenden widerspenstiger Löckchen, die sie in den Wahnsinn getrieben hatten. Und sie waren sehr frühzeitig grau geworden. Auch das hatte sie wahnsinnig gemacht, denn sie wollte ihre Haare nicht färben. Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuschte, war sie schon mit 45 Jahren fast weißhaarig.
    Die Tote hatte blond gefärbte Haare, und ich fragte mich, weshalb meine Mutter auf einmal ihre Haare gefärbt hatte, woher sie das Geld für diese teuren Sachen hatte und warum sie einen anderen Namen angenommen hatte?
    Es gab nur eine Antwort: Sie wollte nicht erkannt werden - und diese Antwort beunruhigte mich. Denn die nächsten Fragen lauteten: Vor wem hat sie sich versteckt? Vor mir? Vielleicht. Doch was hatte sie von mir zu befürchten? Fragen, die ihr nicht passten? Ärger, Wut, Enttäuschung? Das mochte ihr nicht in den Kram gepasst haben. Aber ich bezweifelte, dass sie meinetwegen einen anderen Namen angenommen hatte. Nein, meine Mutter musste andere, schwerwiegendere Gründe gehabt haben.
    Die nächste Frage lautete: Weshalb hatte man sie umgebracht? Eine 79 Jahre alte Frau, die sich 20 Jahre früher aus der ehemaligen DDR abgesetzt hatte.
    Nachdem ich meine Mutter identifiziert hatte, hatten mich Mankiewisc und Groß noch über eine Stunde vernommen. Auch sie stellten diese Fragen, doch ich konnte ihnen nicht helfen.

    Ich

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