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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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all die Leute, denen sie heute gehören, würden ein Vermögen machen, wenn sie sie an einen Städter verkaufen. Die sind doch ganz wild auf die Lage.«
    »Wie konnte sich Madeleine das Haus denn leisten?«, hakte ich noch einmal nach.

    »Kredite«, sagte sie. »Nur über Kredite. Das Haus war ein Schnäppchen, als wir es verkauften. Die Kredite waren damals noch billig, und ihr Mann führte eine Tankstelle.«
    »Aber sie hat es doch nach der Scheidung übernommen.«
    »Nun ja«, sagte Lydia. »Da wird er ihr wohl eine Abfindung gezahlt haben, damit sie ihn mit ihrer Tochter in Ruhe lässt.«
    »Aber Sie wissen es nicht?«
    Sie warf mir einen kurzen, verächtlichen Blick zu, von dem ich jedoch annahm, dass er nicht mir galt.
    »Sie soll ihm mit Selbstmord gedroht haben, wenn er ihr nicht genügend Geld überlässt.«
    »Wie furchtbar«, sagte ich, und Lydia nickte.
    »Ich glaube, da zahlt jeder, nur um nicht sie und ihre kranke Tochter auf dem Gewissen zu haben. Ich gehe fest davon aus, dass es stimmt, denn als er sie verließ, hat sie das Haus aus heiterem Himmel auf einen Schlag abbezahlt.«
    Mit dem Geld von Peter Plotzer, dachte ich, sagte aber natürlich nichts.
    »Darf ich Sie noch etwas anderes fragen?«
    »Gern«, sagte sie und lächelte erwartungsvoll.
    »Man erzählte mir, Sie seien eine Freundin meiner Mutter gewesen.«
    »Wer?«, fragte sie. »Etwa Madeleine? Da können Sie nichts drauf geben. Sehen Sie, ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber Ihre Mutter war Lehrerin. Nun gut, sie hat mich ab und an besucht, und wir tranken ein Tässchen Tee. Aber sonst hatten wir doch eher wenig Berührungspunkte.«
    Sie warf mir einen aufmerksamen Blick zu. »Weshalb hatten Sie keinen Kontakt zu ihr?«
    Ich muss zugeben, trotz aller Planung war ich auf diese Frage nicht vorbereitet.
    »Ich …«, sagte ich und suchte nach einem Argument, während die Frau mich gründlich missverstand.
    »Ich verstehe schon«, sagte sie in die Pause hinein. »Jemand,
der aus beruflichen Gründen in besseren Kreisen verkehrt wie Sie, hält zu seiner Familie irgendwann Distanz. Ihre Mutter kam doch aus der ehemaligen DDR, nicht wahr?«
    »Das hat Sie Ihnen erzählt?«, fragte ich überrascht.
    »Nun ja«, sagte sie. »Man bemerkte es zwar nicht an ihrer Art, sich zu kleiden, aber mitunter konnte sie nur schwer leugnen, dass sie aus dem Osten kam. Dort gab es ganz andere gesellschaftliche Kreise, wenn man davon im Osten überhaupt sprechen konnte. Sie wusste manchmal einfach nicht, wie man sich Angestellten gegenüber benimmt. Das war vielleicht sogar ihr größtes Handicap, um sich Madeleine vom Hals zu halten. Doch dann vertrat sie auch noch so merkwürdige kommunistische Ideen, dass alle Menschen gleich sind und ein Grundrecht auf Bildung, Arbeit und ein Zuhause haben.«
    »Ist das Erste nicht eher eine christliche Vorstellung?«, fragte ich.
    Lydia von Weiden schaute mich kurz an, die Lippen schmal zusammengepresst.
    »Sie haben es weit gebracht, hier bei uns, wenn Sie für eine so renommierte Zeitung wie das ›Hamburger Blatt‹ schreiben, und Sie haben dadurch sicherlich Zugang zu einigen bedeutenden hanseatischen Persönlichkeiten. Doch ich hoffe sehr, Sie langweilen sie nicht mit diesen Bekenntnissen wie Ihre Mutter. Denn so etwas mögen wir hier ganz und gar nicht, und deshalb konnte man Ihre Mutter auch nicht zu einem Empfang oder zu sonstigen gesellschaftlichen Ereignissen einladen oder mitnehmen.«
    »Ich weiß nicht, welche Positionen meine Mutter vertrat«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Sie hat meinen Vater und mich 1989 verlassen und jeden Kontakt abgebrochen.«
    Lydia schaute mich überrascht an.
    »Meine Güte. Sie behauptete, ihr Mann sei gestorben und sie hätte sehr viel Geld geerbt. Da hatte sie also doch ihre kleinen Geheimnisse.«

    »Mein Vater ist gestorben«, sagte ich.
    »Na, sehen Sie«, sagte sie fast schon triumphierend. »Dann hatte sie ihr Geld ja doch von ihm.«
    Ich ließ sie in ihrem Glauben, denn er schützte mich vor Fragen, auf die ich keine schlüssigen Antworten hatte.

41
    Ich verbrachte einen weiteren heillosen Abend, an dem ich zwischen Mut und Depressionen schwankte. Egal ob ich ein Glas Wasser an der Spüle trank oder auf die Toilette ging, das Handy der Entführer trug ich stets bei mir aus Angst, einen Anruf zu verpassen.
    Als es gegen halb acht »Rocket Man« spielte, begann ich zu zittern. Ich hoffte sehr, dass ich Joseys Stimme hören würde, endlich das Geld übergeben konnte und meine

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