Im Zeichen der Angst Roman
mich ins Bett brachte, auszog und die Decke über mich breitete. »Bleib bei mir«, murmelte ich und schlief sofort ein.
43
Etwas hatte mich geweckt. Ich starrte in die Dunkelheit und bemühte mich, mich zu erinnern, was geschehen war.
Ich warf einen Blick auf die andere Hälfte des Bettes, doch die war leer, und das Bettzeug fehlte.
Ich lauschte. Ich hörte, wie unten eine Tür zugezogen wurde. Es klang wie die Terrassentür. Ich schaltete die Nachttischlampe ein und warf einen Blick auf den Radiowecker, der dort stand. Halb drei. Ich stand auf, fischte mit den nackten Füßen neben dem Bett nach den Hausschuhen meiner Mutter, die ich im Haus trug, nahm das Handy der Entführer vom Nachttisch und ging leise die Treppe hinunter.
In der Küche und im Wohnzimmer brannte Licht.
David stand angezogen am Kühlschrank, ein Tetrapack in der Hand. Er füllte Milch in ein Glas, als er mich bemerkte.
»Warst du draußen?«, fragte ich und sah auf seine Schuhe, die nass glänzten.
»Ich konnte nicht schlafen«, sagte er zwischen zwei Schlucken.
Ich ging zu ihm, nahm ihm das Glas aus der Hand und drückte mich an ihn. Ich presste mein Gesicht an seine Schulter, während seine Hände sich um meine Taille legten.
»Ich hatte gestern Abend einen Streit mit Katharina«, sagte er an meinem Ohr. »Hazel hat angerufen, als du schon im Bett warst. Er sagt, sie hat das Auto genommen und ist zu ihrer Freundin gefahren. Er konnte sie nicht aufhalten.«
»Worüber habt ihr gestritten?«, fragte ich, nahm seine Hände von meiner Hüfte und schob ihn weg.
Er schüttelte den Kopf.
»Sag es mir«, bat ich.
»Ich brauche einen Whiskey.«
»So schlimm?« Meine Stimme war leise und mit einem Lächeln unterlegt.
»Das ist nicht komisch«, sagte er ernst und ging an mir vorbei ins Wohnzimmer zu einer weißen Vitrine, in der Gläser und ein paar Flaschen standen. Er schenkte sich ein Glas ein und fragte mich, ob ich auch eines wollte. Ich verneinte.
Er legte das Bettzeug auf den Boden, ließ sich auf die Couch fallen, nahm einen Schluck und starrte in die graue Glut der verbrannten Scheite im Kamin, der noch immer eine leichte Wärme abgab. Er sah müde aus.
»Katharina ist nicht meine Tochter.« Er musterte mich über den Rand des Glases hinweg. Ich legte das Handy aus der Hand und setzte mein höfliches Profigesicht auf. Ich hoffte, es würde mir helfen bei dem, was ich mir jetzt anhören sollte.
»Wessen Tochter ist sie?«, fragte ich mit meiner professionellen Stimme, die tiefer klang als meine normale und in der in solchen Situationen eine freundliche Ermunterung mitschwang.
»Sie ist die Tochter meines Vaters.« Er nahm erneut einen Schluck, während mein Profigesicht in sich zusammenfiel und ich über ein lapidares: »Bist du sicher?« nicht hinauskam.
Er nickte. »Ich war damals viel unterwegs. Ich wollte unbedingt die Firma nach vorn bringen. Ich weiß, ich habe meine Frau deshalb vernachlässigt. Doch sie glaubte, ich hätte ein Verhältnis mit meiner Assistentin.«
»Und?«, fragte ich. »Hattest du?«
Er sah mich unschlüssig an.
»Du hattest«, sagte ich ungerührt.
»Es hatte keine Bedeutung«, sagte er leise. »Für sie nicht und für mich nicht.«
»Aber für deine Frau.« Ich schüttelte den Kopf. »Aber wie hat dein Vater …?«
»Sie verführt?«
Ich nickte.
»Ich weiß es nicht. Ich wollte es auch nie wissen. Aber irgendwie hat er sich an sie herangemacht. Vielleicht hat er es ihr sogar selbst mitgeteilt. Jedenfalls hat er uns mal erwischt. Claudia war einsam, sie wollte unbedingt ein Kind und ich nicht. Ich dachte nur ans Geschäft, und ich denke, mein Vater hat die Situation ausgenutzt.«
»Wie hast du es erfahren?«
»Nach der Geburt«, sagte er. »Wochen danach. Wir hatten einen Streit, und da hat sie es mir entgegengeschleudert. Ich sollte mir bloß nichts einbilden. Diese Tochter sei nicht von mir, und sie würde auch nie ein Kind von mir bekommen.«
»Dein Vater«, sagte ich und überschlug, wie alt er gewesen sein musste, »war 1988 Anfang sechzig.«
»Sie war dreißig, ja, ein paar Jahre älter als ich. Mein Vater sah damals noch sehr gut aus. Er konnte sehr charmant sein, und er wusste immer, was Frauen wollten.«
»Weshalb hast du dich nicht getrennt?«
»Das konnte ich nicht«, sagte David müde. »Ich liebte sie. Ich liebte sie selbst da noch. Ich beschloss, es einfach zu ignorieren. Bis zu ihrem Unfall ging es auch ganz gut. Doch danach begann sie, Tabletten zu nehmen, dann zu
Weitere Kostenlose Bücher