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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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sie den Brief überreicht bekam, war ich dabei. Sie reagierte völlig apathisch. Sie sah mich nur an und reichte mir den Brief, als sie ihn zu Ende gelesen hatte. Ich versuchte, ihr zu erklären, was damals passiert ist. Ich sagte ihr, dass ich zu viel gearbeitet und ihre Mutter vernachlässigt hatte. Ich wollte nicht, dass sie ihre Mutter hasst. Nun hasst sie uns beide. Wenn es hart auf hart kommt, kann ich ihr einfach nichts mehr sagen. Dann kommt sie damit, dass ich nicht ihr Vater bin, sondern ihr Halbbruder. Dass ich ihr also gar nichts zu sagen habe.«
    »Du musst dich um sie kümmern«, sagte ich. »Du musst versuchen, ihr zu helfen. Sie braucht deine Hilfe.«
    »Sie ist erwachsen. Wenn sie nicht will, will sie nicht, und ich muss das respektieren.«
    Ich wusste nicht, was ich davon zu halten hatte. Ich brauchte eine Auszeit, zu viel schwirrte mir im Kopf herum.
    »Hast du eigentlich an den Tagen, an denen meine Töchter entführt wurden, ein Alibi?«
    »Das meinst du nicht ernst«, sagte er eisig.
    »Entschuldige, bitte. Ich muss es wissen.«
    »Ich habe dir gesagt, was ich zu sagen hatte«, sagte er ebenso eisig wie zuvor. »Ich war offen zu dir. Ich dachte …« Er brach ab, schüttelte den Kopf und starrte in den Kamin.
    »Ich muss allein sein.« Ich stand auf und ging, ohne mich umzuschauen, aus dem Wohnzimmer.
    Mir war klar, dass ich nicht noch einmal einschlafen würde, aber ich wollte eine Distanz zu dem Mann und zu dem, was er mir gerade erzählt hatte.

44
    Als mich um halb neun schrilles Telefonklingeln aus etwas aufschreckte, das man bestenfalls als Halbschlaf bezeichnen konnte, war ich allein. Ich lauschte einen Moment lang, woher das Läuten kam, dann eilte ich hinunter ins Wohnzimmer, wo das Telefon meiner Mutter auf einem kleinen Beistelltisch stand. Während ich realisierte, dass das Bettzeug ordentlich zusammengelegt auf der Couch lag, hob ich ab.
    »Mankiewisc«, bellte die raue Stimme des Kommissars.
    Ich sagte »Hallo«, ging mit dem Hörer durch den Korridor, öffnete die Haustür und blickte nach draußen. Kalte Luft ließ mich frösteln. Von Davids BMW fehlte jede Spur, und dann hatte ich keine Zeit mehr, über David und mich nachzudenken.
    »Kommen Sie zum Hügelweg vier«, sagte Mankiewisc. »Sofort.«
    »Das ist Madeleines Haus.« Das Herz schlug mir bis zum Hals, ich wollte fragen, was passiert war, doch Mankiewisc sagte nur noch »Beeilen Sie sich« und legte auf.
    Ich lief nach oben ins Bad, duschte, sprang hastig in die Jeans vom Vortag, zog mir den erstbesten Pullover, den ich greifen konnte, über den Kopf, streifte Schuhe und Daunenjacke über, schnappte mir den Haustürschlüssel und stürzte aus dem Haus, während ich noch mit dem Reißverschluss der Jacke kämpfte.
    Ich rannte den Hügel hinauf. Ich war nicht besonders gut in Form nach dieser Nacht und keuchte schon nach wenigen Metern. Ein blassgrauer Himmel hing über dem Dorf, ein Hund, irgendeine schwarzbraune Promenadenmischung, schnupperte an einer Vorgartenmauer auf dem Hügel. Etwas entfernt leuchtete das Blaulicht eines gerade ankommenden Polizeiwagens durch die kahlen Astkronen der Bäume. Ich erkannte das Haus meiner Halbschwester schon von Weitem, denn drei Autos parkten davor. Eines davon war ein Leichenwagen.
Ein paar Dorfbewohner standen vor der Einfahrt. Ich lief den Hügel auf der anderen Seite hinab. Mein Puls raste, ich hatte Seitenstechen, doch ich beschleunigte meinen Lauf, als müsste ich testen, wie weit mich mein Körper noch tragen würde.
    Ich wusste längst, auf was ich zulief.
    Dann stand ich nach Atem ringend vor der Gartentür einem Polizisten und einem Absperrband gegenüber. Die Dorfbewohner musterten mich misstrauisch.
    Mankiewisc stand in der Eingangstür zum Haus und winkte dem Polizisten, mich durchzulassen. Der Polizist hob das Absperrband an, ich bückte mich und ging hindurch.
    Ich hörte, wie hinter mir jemand fragte, wer ich wohl wäre. »Claires Tochter«, sagte eine Männerstimme, die mir bekannt vorkam. Neugierig drehte ich mich um. Ich hatte Tassilo von Weiden in seiner blauen Wattejacke, den blauen Arbeitshosen und den grünen Stiefeln nicht erkannt. Ich lächelte mühsam und hob meinen Arm zu einem Gruß. Er winkte zurück, das Gesicht angespannt und ernst.
    »Kommen Sie rein«, sagte Mankiewisc statt einer Begrüßung und zog mich am Arm in den Korridor.
    »Was ist passiert?«, fragte ich, während ich registrierte, dass wir an einer Wohnküche vorbeigingen, in der Rebecca in

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