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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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Gesicht wich jeder Ernst und machte etwas Platz, das ich noch nie gesehen hatte: Es war blankes Entsetzen. Dann kicherte sie los. So viel zu dem Vertrauen, das meine Tochter in meine Lernfähigkeit setzte.
    Patrizia öffnete die Tür und begrüßte uns. Ich gab Josey einen
Kuss, und sie rannte aufgeregt die Treppe hinauf zu Melissa, die sich in der ersten Etage über das Geländer gebeugt hatte.
    Ich lief durch den Regen zurück in die Wohnung, nachdem ich Patrizia noch einmal versichert hatte, dass ich Josey spätestens um sechs abholen würde.
    Obwohl Patrizia nur 200 Meter von meiner Wohnung entfernt wohnte, hatte ich sie erst kennen gelernt, als die Mädchen in die Schule kamen. Ich fragte mich manchmal, wie man in einem Stadtteil wohnen kann, in denselben Läden einkauft und sich dennoch niemals über den Weg läuft. Denn obwohl ich inzwischen fast 20 Jahre in der Wohnung in der Hochallee wohnte, hatte ich weder Patrizia noch Patrick Weiden jemals zuvor getroffen. Ich hatte sie von dem Augenblick an gemocht, als ich während der Einschulung in der Aula neben ihr und Patrick saß und sie sich nicht beherrschen konnte und losweinte. Er reichte ihr sein gebügeltes Taschentuch, legte seinen Arm um ihre Schulter und flüsterte ihr beruhigende Worte ins Ohr. In dem Moment weinte auch ich los, und nichts konnte meine Tränen eindämmen. Ich weinte weniger, weil Josephine jetzt in die Schule gekommen war und sie damit den ersten Schritt in ein eigenes, selbstständiges Leben gemacht hatte; ich weinte vielmehr, weil mich der Anblick dieser beiden Menschen bis ins Mark traf und mir so verzweifelt bewusst wurde, wie einsam ich war und wie sehr ich Kai vermisste. Und weil es mich dort wie ein Hammerschlag traf, dass meine schöne, bewundernswerte, liebevolle Tochter ohne ihren Vater groß wurde, ohne ihre Schwester, und dass sie außer mir niemanden mehr besaß, der sie aus tiefstem Herzen liebte.

10
    Ich holte zu Hause den Umschlag mit den Fotokopien aus dem Schreibtisch, in den ich ihn gelegt hatte, nachdem Mankiewisc und Groß beim ersten Mal gegangen waren. Ich hatte ihn seitdem nicht mehr angerührt. Ich zog die Fotos heraus und breitete sie nebeneinander aus. Ich ging in die Küche und holte den Hotelschlüssel.
    Ich weiß nicht, weshalb ich das tat. Vielleicht hoffte ich auf ein Wunder, eine innere Stimme, die mir den Zusammenhang erklären würde. Doch es gab kein Wunder und keine innere Stimme.
    Resigniert steckte ich den Hotelschlüssel in meine Tasche und zog mich an. Ich musste mich endlich dem stellen, was von meiner Mutter übrig geblieben war.
    Ich war schon auf dem Weg zur Wohnungstür, als das Telefon klingelte. Es kam aus der Küche. Ich eilte hinüber und schaute aufs Display. Es war eine unterdrückte Nummer. Ich ließ es läuten. Nach dem achten Mal schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Ich hörte meiner Stimme zu. »Josephine und Clara Steinfeld sind nicht zu Hause. Doch wenn Sie eine Nachricht hinterlassen, rufen wir Sie gern zurück.« Der Anrufer hinterließ keine Nachricht. Er hatte aufgelegt. Die Uhr auf dem Display zeigte an, dass es 13 Uhr 24 war.
    Nur eine Minute später verließ ich das Haus. Der Himmel war noch immer bleischwer, ein kalter Wind pfiff durch die Straße, und der Regen hielt unvermindert an. Ich spannte den Schirm auf. Auf der Straße folgte ein Auto dem nächsten so dicht nach, dass die Scheinwerfer aufgefädelt wie auf einer Schnur an mir vorbeizogen. Das Wasser spritzte unter den Reifen auf, die Scheibenwischer schlugen hektisch von links nach rechts. Ich wartete, bis ich die Straße überqueren konnte. Ein schwarzer Range Rover parkte auf der anderen Straßenseite und blockierte die erste Spur.

    Eine Frau saß hinterm Steuer. Sie hatte halblange, dunkle Haare. Ihr Gesicht stach hell aus dem Wagenfenster hervor und starrte mich durch die Scheibe an. Jedenfalls kam es mir so vor.
    Ich dachte nicht nach, mein Unterbewusstsein befahl mir zu rennen, und so rannte ich über die Straße, ohne den Verkehr zu beachten. Der Schirm klappte um und flog an meinem abgewinkelten Arm wie ein Segel hinter mir her, Regen peitschte in mein Gesicht. Bremsen quietschten, neben mir hielt ein Auto, der Fahrer ließ das Fenster herunter und brüllte mir »dumme Schnepfe, lebensmüde Idiotin« hinterher. Ich achtete nicht darauf, ich schrie selbst: »Warten Sie, um Gottes willen, warten Sie! Ich muss mit Ihnen reden!«
    Ich fixierte den Range Rover, der in dem Augenblick anfuhr, als ich ihn

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