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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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erreichte. Ich rannte hinter ihm her, sprang durch Pfützen und versuchte, das Nummernschild zu erkennen. Es hatte eine OD-Nummer. OD irgendetwas. Die letzte Ziffer war eine 6. Jörn Bruchsahl hatte in der Nähe von Bad Oldesloe in einem winzigen Dorf gewohnt. OD stand für Bad Oldesloe.
    Ich tobte innerlich. Ja, ich war kurzsichtig, ich brauchte schon länger eine Brille. Doch noch nie in meinem Leben war mir das so zu einem Hindernis geworden wie an diesem nasskalten, düsteren und verregneten Tag.
    Ich drehte mich um, trottete zurück auf den Bürgersteig und ging nach Hause.
    Ich musste mich umziehen und meine Haare föhnen. Meine Jeans war durchweicht vom Regen und dem aufspritzenden Wasser der Autos, und die Haare troffen.
    Ich zwängte mich aus der Jeans und wickelte mir ein Handtuch um den Kopf. Dann rief ich Claus an. Schon während ich es ihm erzählte, kam ich mir dumm vor: Ein schwarzer Range Rover mit einem OD im Nummernschild parkte vor meinem Haus, in dem sich im Souterrain ein Reisebüro befindet. Eine Frau sah zu mir herüber und fuhr los, während ich schreiend
wie eine Irre über die Straße hastete. Claus dementierte meine Einschätzung der Situation nicht. In Hamburg fuhren jeden Tag Hunderte mit diesem Kennzeichen durch die Stadt, Pendler, Geschäftsleute, Selbständige oder Menschen, die Hamburg zum Einkaufen nutzten. Er fand mein Verhalten dämlich, neurotisch oder hysterisch. Ich konnte es mir aussuchen.
    Ich redete mir ein, dass sie nur eine Kundin gewesen war. Irgendeine neureiche Mutter und glückliche Ehefrau, die in Hamburg shoppen war und für die zweite Woche der Herbstferien ein Last-Minute-Angebot in die Türkei oder auf die Bahamas gebucht hatte.
    Ich föhnte meine Haare, zog mich um, kochte mir prophylaktisch einen Erkältungstee und fuhr los.
    Es hatte in der Zwischenzeit aufgehört zu regnen. Dennoch lag ein düsterer Wolkenhimmel in tiefstem Granitgrau über der Stadt, und der böige Wind fegte das letzte Laub von den Bäumen.
    Im Foyer des Hotels »Belle Époque« brannten bereits die beiden Lüster, deren Licht sich in Hunderten von Kristalltropfen brach. Es war ein kleines Privathotel mit 16 Zimmern, für das man zwei Gründerzeitvillen entkernt und zu einem einzigartigen Gebäudekomplex umgebaut hatte. Eine schlanke Empfangsdame in dunkelblauem Kostüm und gestärkter weißer Bluse empfing mich. Ihr Kragen war so scharf gebügelt, dass er jedem Messer Konkurrenz machen konnte. Ich sagte ihr, wer ich war. Die Frau schaute mich erstaunt an. Ihr Gesicht war mindestens ebenso glatt gebügelt wie der Kragen. Ich tippte auf Botox, denn trotz des erstaunten Blicks regte sich in dem Gesicht kein Muskel. Sie sprach mir ihr Beileid aus und bat mich dann leise, doch bitte diskret zu sein. Todesfälle seien nun einmal keine gute Werbung für Hotels.
    Sie erklärte mir den Weg zum Zimmer Nummer 8. Erste Etage, dann links die zweite Tür.
    Mir zitterten die Beine, als ich die Zimmertür hinter mir
schloss. Das also war das letzte Zuhause der Frau gewesen, die mich geboren hatte.
    Ich stand in einem Vorraum mit Garderobe und eingebauten Schränken rechts, links ging das Badezimmer ab. Ich knipste das Licht an und steckte den Kopf hinein. Ein großzügiger Spiegel, eine Wanne, eine Duschkabine, ein Bidet. Viel grauer Marmor und auf alt gemachte Armaturen. Ein weißer Bademantel aus ägyptischer Baumwolle hing auf einem gepolsterten Bügel, weiße, flauschige Handtücher hingen an den Haltern. In alle war das Hotelmonogramm BE gestickt. Ich warf einen Blick auf die Kosmetik meiner Mutter. Sie war so erlesen wie das Ambiente. Dior, Shiseido, Guerlain - nur das Teuerste.
    Ich ging in das erste Zimmer. Es war ein Wohnzimmer, wie man es sich wünschte, wenn man auf Laura Ashley stand. Alles in Blau und Gold, mit Seidentapeten, einer üppigen Couch, einer Lesecke mit zwei tiefen Sesseln und einem Schreibtisch. Ich wanderte durch das Zimmer und stellte mir meine Mutter hier vor. Es gelang mir nicht. Meine Mutter war kein Luxusweib. Jedenfalls nicht, als ich sie kannte. Ich ging zum Schreibtisch und blätterte in der Schreibmappe, die dort lag wie in jedem Hotel der Welt. Nichts wies auf meine Mutter hin.
    Ich öffnete die Schreibtischschubladen. In der obersten linken lag einsam eine Bibel. In den anderen Fächern lagen ein paar Romane: Krimis und das letzte Buch von Stephen King. Ich wusste gar nicht, dass meine Mutter auf Horror stand, und war trotz allem fast ein bisschen amüsiert, während

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