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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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bestattet werden wollte. Es
war ein Doppelgrab, und ich habe ihn nie gefragt, für wen das zweite Grab gedacht war. Ich hatte es auch so gewusst.
    Als Groß und Mankiewisc an diesem Nachmittag gegangen waren, rief ich bei einem Bestattungsunternehmen in Solthaven an. Ich bevollmächtigte sie, alles in die Wege zu leiten, was für die Einäscherung und Beerdigung meiner Mutter nötig war. Ich bat sie außerdem, eine Todesanzeige in der »Solthavener Volksstimme« aufzugeben. Sie schickten mir ein Fax mit einer Vollmacht. Ich unterschrieb und faxte es zurück. Das Fax mit meiner Originalunterschrift steckte ich in einen Umschlag und schickte es mit der Post.
     
    Ich dachte, es wäre nur anständig, wenn Menschen, denen meine Mutter etwas bedeutet hatte, von ihr Abschied nehmen konnten. Außerdem wollte ich mit ihrer Beisetzung auch dem letzten Zweifler klarmachen, dass mein Vater nichts mit ihrem Verschwinden zu tun hatte. Das war ich seinem Andenken schuldig.
    Ich habe manchmal darüber nachgedacht, was für ein Spießrutenlauf es für meinen Vater in den ersten Jahren, nachdem sie fort war, gewesen sein musste. Er war unschuldig aufgrund des Fehlens einer Leiche. Schuldiger konnte man in einer Kleinstadt wie Solthaven kaum sein.
    Mag sein, dass manch einer damals nur boshaft Gerüchte streute aus Neid darauf, dass sich zwei Menschen auch nach 30 Jahren Ehe noch so liebten wie am ersten Tag. Und meine Eltern haben sich bis zum Frühjahr 1989 geliebt. Er trug sie auf Händen, und sie tat alles für ihn. Jeden Freitagnachmittag kam mein Vater nach Hause und brachte meiner Mutter einen Blumenstrauß oder eine Schachtel Konfekt mit, und sie freute sich jedes Mal aufs Neue wie eine Königin. Jeden Freitag nach dem Mittagessen buk meine Mutter den Lieblingskuchen meines Vaters, und sie tat es auch dann, wenn sie ihr Kopfweh hatte. Während meiner gesamten Kindheit musste ich jeden
Freitagnachmittag warten, bis er nach Hause kam, damit wir die Kuchenschüssel gemeinsam auslecken konnten. Denn noch köstlicher als der Kuchen war der frisch gerührte Teig, und so stellte sie die Schüssel auf den Küchentisch, deckte sie mit einem Geschirrtuch ab, und wehe mir, sie erwischte mich, wie ich heimlich schon vor seiner Heimkehr davon naschte.
    Als sie verschwand, war ich hochschwanger und mutete mir die fünfstündige Zugfahrt von Jena nach Solthaven nur noch selten zu. Aber ich glaube, sie hat ihm bis zu ihrem Verschwinden die Kuchen gebacken, und er hat ihr bis zum Schluss Blumen mitgebracht. Dennoch gingen sie einander aus dem Weg. Mein Vater hat mir nie erzählt weshalb und jede Frage nach dem Grund im Keim erstickt. Aber er hat gelitten. Unter ihrem Verschwinden und unter den Verdächtigungen der anderen.

8
    Nach zehn Tagen zogen sie Stefan Lichtenberg wie geplant ab. Es gab keine neuen Spuren oder Erkenntnisse, und da weder Josey noch ich nochmals bedroht worden waren, hielten sie eine weitere Observierung für unnötig.
    Ich wusste, dass es nicht vorbei war. Mankiewisc wusste es auch. Aber es gab neue Fälle und nur ein begrenztes Budget. Sparen lautete die Devise schon seit Jahren, erklärte mir Mankiewisc und hatte dabei so etwas wie ein entschuldigendes Lächeln auf den Lippen. Hamburg war pleite wie die meisten deutschen Großstädte, und man versuchte alles, den Haushalt zu sanieren. Ganze Behörden wurden ausgegliedert und privatisiert. In erster Linie bedeutete dies Personalabbau, und er fand auch dort statt, wo man nicht privatisierte, wie bei der Polizei. Man schickte die Leute in den Ruhe - oder Vorruhestand und besetzte die Stellen nicht neu. So einfach war das, und es hatte ein halbes Jahr nach dem Tod meines Mannes auch Max Renner
getroffen. Die Gerüchte besagten, dass sie ihn mit 62 Jahren gegen seinen Willen in den Vorruhestand geschickt hatten. Ich hatte da so meine Zweifel. Der Rest jedenfalls sammelte Überstunden an. Die Deutschen gehörten zur Welt-Elite der Überstundensammler. Ich nehme an, Groß und Mankiewisc hatten so viele Überstunden, dass sie den Rest des Jahres zu Hause bleiben konnten. Theoretisch. Praktisch bearbeiteten sie den Mordfall meiner Mutter, eine Schießerei in einer Eisdiele, bei der fünf unbeteiligte Gäste ums Leben gekommen waren, und eine Messerstecherei in einer Diskothek auf der Reeperbahn.
    Am letzten Tag unter dem Schutz von Stefan Lichtenberg kamen er, Mankiewisc und Groß abends noch einmal zu mir in die Wohnung. Sie rieten mir, auf jeden Fall die Haustür

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