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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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Mädchen wieder an zu schluchzen.
    Ich ging zurück und strich ihr beruhigend über den Kopf. Als das nichts half, ließ ich sie stehen und hoffte, Patrizia würde sie beruhigen, sobald sich Sven von dem Schreck erholt hatte.
    Ich hatte nur noch die beiden Männer im Visier. Ich kannte das. Dieses Auftauchen von Kriminalbeamten aus dem Nichts. Es hatte noch nie etwas Gutes in meinem Leben bedeutet.
    »Clara«, sagte Patrizia leise und vorwurfsvoll, als mein Arm sie streifte. Doch ich beachtete auch sie nicht.
    Normalerweise habe ich in der Schule eine Art Bonus. Wenn ich Josey zu spät zum Unterricht bringe, ihr Pausenbrot vergesse oder mal wieder nicht zu einem Elternabend komme, ist immer jemand da, der meiner Tochter ein Brötchen kauft oder mir die Unterlagen vom Elternabend mitbringt. Dabei gibt es auch an dieser Schule im eleganten Hamburger Eppendorf viele allein erziehende Mütter. Die meisten sind geschieden und
bekommen einen Unterhalt. Doch ich bin 45 Jahre alt und verdiene mein Geld allein. Ich habe in den Augen der Öffentlichkeit den Entführer meiner Tochter erschossen - und ich bin Witwe.
    Kai und ich haben uns nie scheiden lassen. Keiner von uns beiden fand es besonders wichtig. Er starb zwei Jahre nachdem er uns verlassen hatte bei einem Unfall noch in seinem Auto. Ein LKW-Fahrer fuhr von hinten in ihn hinein, als es an einer Baustelle zu einem Stau kam. Es war ein polnisches Fahrzeug, zugelassen auf ein polnisches Unternehmen und mit einem polnischen Fahrer. Der LKW-Fahrer war, wie mein Mann, tot.
    »Kommst du zurück?«, fragte Patrizia und ihre angespannte Stimme verriet, dass ich dabei war, an diesem Vormittag zumindest ihren Bonus zu verlieren. Bei einer prügelnden Sechsjährigen hören die Sympathien auf. Ich zuckte mit den Achseln, ohne mich umzudrehen.
    Ich ging an den beiden Kriminalbeamten vorbei, und sie folgten mir hinaus auf den Schulflur.
    »Sind Sie Clara Steinfeld?«, fragte der Ältere.
    »Ja.«
    Er sah seinen jüngeren Kollegen an, der um einen halben Kopf kleiner war als er und mindestens 50 Pfund leichter. Der Ältere war etwa ein Meter 90 groß, rund, fleischig und hatte eine zartrosa Gesichtsfarbe. Er erinnerte mich an ein gut gemästetes Freilandschwein mit viel Muße und wenig Stress.
    An dem Jüngeren gab es nichts Rundliches. Alles an ihm war eckig und kantig und sehr dünn. Seine Schuhe, seine Schultern, sein Kinn und selbst die kaum mehr als fünf Millimeter langen Haarborsten schienen eckig und kantig zu sein. Das Einzige nicht Kantige an dem Mann waren sein viel zu langer, dünner Hals und seine schmalen Hände mit langen, eleganten Fingern, die die eines Pianisten hätten sein können.
    Ein Haufen lärmender Kinder kam um die Ecke. Ihre Gesichter glühten noch von der Anstrengung des Sportunterrichts,
und sie redeten aufgeregt durcheinander. Sie liefen an uns vorbei, ohne uns zu beachten.
    »Können wir uns draußen unterhalten?«, fragte der Dicke.
    Ich nickte. Ich hatte keine Ahnung, was sie von mir wollten. Doch es musste etwas Ernstes sein, sonst wären sie nicht in der Schule aufgetaucht, sondern hätten gewartet, bis ich in der Redaktion war.
     
    Ich hatte einmal im Monat, an jedem vierten Mittwoch, den Milchdienst in der Cafeteria. Mehr konnte ich zeitlich nicht einrichten, und selbst das hatte in der Redaktion zu Kopfschütteln und bei manch anderer Mutter sicherlich zu Neid geführt. Doch auch in der Redaktion hatte ich meinen Schicksalsbonus - und manchmal nutzte ich ihn aus.
    Außerdem kannte ich Claus Wernher, den Chefredakteur, seit meiner Kindheit. Ich hatte als Sechsjährige an einem windigen Nachmittag im April allein auf der Reckstange unseres Spielplatzes gesessen und ausgerechnet in dem Moment laut gerülpst, in dem er sich anschlich. Ich wurde knallrot, als er sich vor mir auf baute, die Arme verschränkt und mit diesem Grinsen im Gesicht, das mich schon damals sprachlos machte. Seine Eltern waren zwei Tage zuvor in unsere Siedlung gezogen, und nachdem er mir gezeigt hatte, dass er auf Bestellung rülpsen konnte, wurden wir die besten Freunde. Wir machten zusammen Abitur und studierten zusammen Germanistik in Jena. Wir waren nie ein Paar, denn mit 16 erkannte er, dass er auf Jungs stand. Im Januar 1990 hatte Claus als Reporter beim »Hamburger Blatt« begonnen, das er heute als Chefredakteur leitete. Ich wurde zwei Monate später als Redakteurin für den Lokalteil eingestellt.
    Ich hatte mit Claus nach Joseys Einschulung abgemacht, dass ich alle

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