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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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die Glock in meiner Handtasche und an das Handy in meiner Jeans. Dann traf ich eine Entscheidung und betete, dass es die richtige war.
    »Es gibt nichts zu reden«, sagte ich. »Sie sind auf dem Holzweg. Sie und Ihre geschätzten Kollegen, allen voran Ihr Mentor Renner«, wandte ich mich an Groß, »haben schon einmal versagt. Ich verlor meine Tochter, und es hat mich sechs Jahre meines Lebens gekostet. Und wissen Sie was? Sie sind schon wieder auf dem Holzweg. Meine Mutter hätte niemals zugelassen, dass ihrer Enkelin etwas geschieht oder ich ins Gefängnis gehe. Deshalb kann sie nichts mit der Entführung zu tun haben, und über mich wollen wir hier besser nicht reden.«
    Die beiden Männer sahen mich verdutzt an.
    Ich schaute zurück. Ich hoffte sehr, ich hätte Eis in den Augen.
     
    Nachdem Johanna entführt worden war, ging bei David Plotzer ein anonymer Anruf mit der Lösegeldforderung ein und mit der Warnung, keine Polizei einzuschalten. Wir taten es trotzdem.
    Sechs Tage lang unternahm die Polizei fieberhaft alles, was in
ihrer Macht stand, um meine Tochter zu finden. Aber das, was in ihrer Macht stand, reichte nicht. Nicht für Johanna. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit, und sie hatten ihn bravourös verloren.
    Die Hamburger Kriminalpolizei hatte noch in der Nacht der Entführung eine Sondereinheit gebildet. Meiner damaligen Meinung nach arbeitete die ebenso effektiv wie jede andere Spezialeinheit der westlichen Welt. Davon war ich zutiefst überzeugt, auch wenn mir das später, in meinem eigenen Gerichtsverfahren, niemand mehr glaubte.
    Doch es gab im Entführungsfall meiner Tochter keine Zeugen, keine brauchbaren Spuren, keine verwertbaren Hinweise. Der Leitende Hauptkommissar Max Renner und seine Leute gingen jeder noch so winzigen Spur nach. Doch alle führten ins Leere. Sie war das letzte Mal gesehen worden, wie sie am Eppendorfer Baum in einer Drogerie ein rotes Haargummi mit einer kleinen Ente und Füllfederhalter-Patronen für ihren Schulfüller kaufte. Danach schien sie vom Erdboden verschluckt worden zu sein. Niemand erinnerte sich an ein Mädchen in einem blauen Daunenparka mit einer roten Mütze auf dem Kopf.
    Auch als wir sie fanden, gab es keine Spuren, bis auf ein paar Fasern, die man später einem Jackett von Jörn Bruchsahl zuordnete. Andere Spuren gab es nicht. Nicht an ihrem Körper, nicht an ihrer Kleidung und auch nicht in diesem trostlos anmutenden Park unweit der Hamburger Innenstadt, in dem sie lag. Das Tauwetter hatte alle Spuren, die es vielleicht einst an diesem Ort gegeben hatte, beseitigt. Es gab nichts, nur das Wissen um eine Verwechslung.
    Der letzte Anruf erreichte mich am 27. Januar 1996, mittags um 11.42 Uhr in meinem Wohnzimmer im Beisein von Kai, zwei Kriminaltechnikern und einem Kriminalisten, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnere. Um 11.44 ging ein identischer Anruf im Landeskriminalamt ein. Eine digital verzerrte männliche Tonbandstimme erklärte mir und zwei Minuten
später Max Renner in seinem Büro in drei kurzen Sätzen, wo Johanna zu finden sei. Der Anruf war von einer Telefonzelle mitten in der Innenstadt ausgegangen. Ein Streifenwagen fand die Telefonzelle um 11.51 Uhr leer vor. Befragungen von Passanten nach einem Mann, der von dort aus telefoniert hatte, führten zu nichts. Überwachungskameras gab es an dieser Stelle nicht, obwohl man schon seit längerem ein Netz von Kameras über die Stadt gelegt hatte.

13
    Als Groß und Mankiewisc gegangen waren, stand ich im Badezimmer und ließ mir kaltes Wasser über die Unterarme fließen. Ich betrachtete mich im Spiegel. Ich sah meine halblangen braunen Haare. Ich sah die feinen Linien an den Augen und die beiden Falten zwischen den Brauen.
    Ich war eine Kämpferin. Die war ich immer gewesen. Niemand würde mich einschüchtern. Keine Polizei und keine Erpresser. Und niemand würde meiner Tochter etwas antun. Niemals.
    Wir hatten vier Tage Zeit. Vier Tage waren wir halbwegs in Sicherheit. Ich würde die Zeit nutzen.
    Ich fuhr mit Josey in die Stadt und holte die Blumen für die Beerdigung ab.
    Es war ein wundervoller üppiger Strauß, und ich stellte ihn zu Hause in eine Bodenvase.
    Dann tat ich etwas, von dem ich nie gedacht hätte, dass ich es noch einmal tun würde.
    Ich suchte in meinem Telefonverzeichnis nach der Nummer von David Plotzer und rief in seinem Büro an. Ich sagte, wer ich war, und bat seine Assistentin, mich mit ihm zu verbinden. Ich lauschte den Klängen einer Bach-Kantate und wartete in

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